Mit einer Verfassungsänderung will die bernische Regierung die Volksrechte stärken. Am 15. Mai können Bernerinnen und Berner darüber abstimmen. Die Vorlage zielt darauf ab, dass Volksvorschläge mehr Gewicht erhalten.
Darum geht es
Im Kanton Bern kann der Grosse Rat bei einer Vorlage das Volk über zwei Varianten abstimmen lassen. Dies nennt sich Eventualantrag. Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können ihrerseits zu gewissen Vorlagen des Kantonsparlaments mit einem Volksvorschlag konkrete Vorschläge machen.
Und so eine Volksabstimmung erzwingen. Für das konstruktive Referendum braucht es innert drei Monaten 10 000 gültige Unterschriften.
Volksvorschläge haben den Vorteil – oder je nach Ansicht den Nachteil –, dass Interessengruppen einem Grossratsbeschluss einen relativ frei konstruierten Gegenvorschlag entgegensetzen können.
Das Aus für «Buebetrickli» des Grossrats?
Mit der aktuellen Gesetzgebung können Volksvorschläge jedoch mit einem «Buebetrickli» ausgebremst werden. Entscheidet sich nämlich der Grosse Rat, neben der Hauptvorlage extra einen Eventualvorschlag vorzulegen, können zu dem Geschäft keine Volksvorschläge mehr gemacht werden.
Dieses Mittel wurde in den vergangenen Jahren mehrmals taktisch eingesetzt. Etwa bei der Vorlage zu Krankenkassen-Prämienverbilligungen 2015.
Wir wollen nicht, dass es eine Möglichkeit gibt, unser politisches System auszuhebeln.
Ein Gutachten der Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) zeigte, dass der Grosse Rat bis dahin über acht Eventualanträge befunden hatte. Fünf davon hatte er angenommen, drei abgelehnt. Die Verhinderung eines Volksvorschlags war gemäss Gutachten bei sechs der acht Eventualanträge als Motivation erkennbar.
Wenn es nach GLP-Grossrat Hannes Zaugg-Graf geht, ist es mit der «Trickserei» bald vorbei. «Wir wollen nicht, dass es eine Möglichkeit gibt, unser politisches System auszuhebeln.»
Dies sei mit dem «Buebetrickli» in kleinem Rahmen möglich gewesen. Die geplante Verfassungsänderung binde das Parlament ein wenig zurück und führe dazu, dass im Grossen Rat die Diskussionen besser geführt würden, so Zaugg-Graf.
Nur die FDP kämpft gegen Verfassungsänderung
Gegen die Verfassungsänderung kämpft als einzige Partei die FDP. Allen voran Grossrat Adrian Haas: «Natürlich kann man den Eventualantrag auch taktisch einsetzen. Aber Politik besteht vielmals aus taktischen Überlegungen. Das macht die Sache auch spannend.»
Trotz Verfassungsänderung würde es auch in Zukunft möglich sein, bei Vorlagen Taktik einfliessen zu lassen. Darum sei die Verfassungsänderung «Augenwischerei», so das FDP-Urgestein.
Politik besteht nun mal oft aus taktischen Überlegungen. Das macht die Sache spannend.
Mit seiner Meinung ist Haas im Parlament in einer deutlichen Minderheit. Der Grosse Rat empfiehlt den Stimmberechtigten mit 121 zu 21 Stimmen, die Verfassungsänderung anzunehmen.