Im Grossen Rat des Kantons Bern sind künftig keine «Buebetrickli» mehr möglich. 85.4 Prozent der Stimmenden haben sich für die entsprechende Verfassungsänderung «Volksvorschläge vor grossrätlichen Eventualanträgen» ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung lag bei 34.8 Prozent.
Volksvorschläge vor grossrätlichen Eventualanträgen
Kanton Bern: Änderung der Kantonsverfassung
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JA
212'524 Stimmen
-
NEIN
36'374 Stimmen
Die Befürwortenden um GLP-Grossrat Hannes Zaugg-Graf sind erfreut über das deutliche Resultat: «Die Verfassungsänderung ist ein kleines Puzzleteil, das dem Volk mehr Rechte gibt.»
Gross bewegt hat die Vorlage vor der Abstimmung allerdings nicht. Eine öffentliche Diskussion blieb aus. Mit der FDP bekämpfte nur eine Partei die Verfassungsänderung. «Es ist schade, dass keine Kontroverse bei dieser staatspolitischen Vorlage stattgefunden hat», sagt FDP-Grossrat Adrian Haas zu SRF.
Die komplizierte Vorlage war fast nicht demokratietauglich.
Es sei jedoch für viele Leute schwierig gewesen, den Inhalt der Verfassungsänderung zu verstehen. «Die komplizierte Vorlage war fast nicht demokratietauglich», bilanziert Haas.
Wie ist das deutliche Ja trotz fehlender öffentlichen Debatte zu erklären? «In so einem Fall vertrauen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wahrscheinlich den Voten von Parlament und Regierung», sagt der Berner Staatsschreiber Christoph Auer.
Parlament konnte Volk ausbremsen
Im Kanton Bern kann das Parlament bei einer Vorlage das Volk über zwei Varianten abstimmen lassen. Dies nennt sich Eventualantrag. Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können ihrerseits zu Vorlagen des Kantonsparlaments mit einem Volksvorschlag eine Variante vorschlagen und so eine Volksabstimmung erzwingen. Für das konstruktive Referendum braucht es innert drei Monaten 10'000 gültige Unterschriften.
Der Knackpunkt: Mit der bisherigen Gesetzgebung konnten Volksvorschläge mit einem «Buebetrickli» ausgebremst werden. Ein Volksvorschlag war nur dann möglich, wenn das Parlament keinen Eventualantrag beschlossen hatte.
Mehrere Volksvorschläge verhindert
Dieses Mittel wurde in den vergangenen Jahren mehrmals taktisch eingesetzt. Etwa bei der Vorlage zu Krankenkassen-Prämienverbilligungen 2015.
Ein Gutachten der Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) zeigte, dass der Grosse Rat bisher über acht Eventualanträge befunden hatte. Die Verhinderung eines Volksvorschlags war gemäss Gutachten bei sechs der acht Eventualanträge als Motivation erkennbar.
Das Kantonsparlament hebelte die Möglichkeit eines Volksvorschlags also mehrmals aus, indem es nicht bloss eine Gesetzesvorlage beschloss, sondern aus taktischen Gründen auch einen Eventualantrag. Damit war der Weg zum Volksvorschlag verbaut.
Nun wird dieses «Buebetrickli» in der Kantonsverfassung unterbunden. Wird ein Volksvorschlag eingereicht, fällt ein zuvor beschlossener Eventualantrag des Parlaments dahin.