Auf den ersten Blick ist es unschön und gewöhnungsbedürftig: Dass Unternehmen, die in der Schweiz eine Dienstleistung erbringen, gezwungen werden, einen Teil ihres Umsatzes – nicht etwa ihres Gewinns – für einen vom Staat vorgegebenen Zweck einzusetzen. So wie das nach dem Ja zum Filmgesetz schon bald für ausländische Sender und Streaming-Anbieter gelten wird.
Auf den zweiten Blick aber schafft diese Investitionspflicht mehr Gerechtigkeit. Denn ob die Schweiz will oder nicht: Es ist eine Tatsache, dass immer mehr Länder in Europa die hochprofitablen internationalen Streaming-Anbieter dazu verpflichten, einen Teil ihres Umsatzes im Land zu reinvestieren, in dem sie diesen realisiert haben. In Nachbarländern wie Frankreich oder Italien geht es dabei nicht um vier Prozent, sondern um 26 beziehungsweise 20 Prozent.
Wenn sich die Schweiz weiterhin vornehm zurück hielte, würde sie sich zwar durch eine liberalere und weniger protektionistische Haltung auszeichnen. Sie würde sich damit aber einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem europäischen Ausland einhandeln. Denn natürlich investieren Netflix und Co. zuerst dort, wo sie müssen. Genauso wie Netflix seine Preise dort erhöht, wo es kann. Nämlich zum Beispiel in der Schweiz, wo die Kundinnen und Kunden in nur acht Jahren eine Preiserhöhung um fast 50 Prozent hinnahmen für das Standard-Abo von Netflix, ohne dass es zu einem öffentlichen Aufschrei kam.
Auch ausländische Fernsehsender müssen investieren
Mehr Gerechtigkeit entsteht auch bei den Fernsehsendern. Seit Jahrzehnten verdienen ausländische Privatsender wie RTL oder Sat.1 in der Schweiz mit ihren Werbefenstern hunderte von Millionen Franken, ohne der Schweiz etwas zurückzugeben. Inländische Privatsender hingegen sind schon länger verpflichtet, das heimische Filmschaffen zu unterstützen.
Allerdings darf hier nicht verhehlt werden, dass Schweizer Privatsender bisher davon profitierten, dass sie ihre Investitionspflicht erfüllen konnten, indem sie Gratis-Werbung für Schweizer Filme schalteten. Neu dürfen sie das nur bis zu einer halben Million Franken. Für den hauptsächlich betroffenen Sender 3+ bedeutet das, dass er in Zukunft rund eine halbe Million Franken ins unabhängige Filmschaffen investieren muss. Ob diese Verpflichtung – so, wie angedroht – tatsächlich zu Stellenabbau und weniger Eigenproduktionen führt, wird zu beobachten sein.
Und noch eine Einschränkung muss angebracht werden: Dass mehr Geld für die Schweizer Filmbranche nicht nur zu mehr Quantität, sondern auch zu mehr Qualität führt, ist vorläufig nicht mehr als eine Behauptung.
Gleiche Bedingungen für in- und ausländische Akteure
Umso wichtiger ist darum, dass vorgesehen ist, dass nach einer Periode von vier Jahren die Wirkung des revidierten Filmgesetzes evaluiert wird. Je nach Resultat müssten dann allfällige Korrekturen vorgenommen werden.
Ab dem 1. Januar 2024 gilt mit dem heutigen Ja für alle in- und ausländischen Akteure, die in der Schweiz Geld mit Filmen und Serien verdienen, dasselbe. Das ist grundsätzlich zu begrüssen, weil es gerechter ist als bisher.