Mit dem neuen Transplantationsgesetz sollen alle hirntoten Erwachsenen zu Organspendern werden – falls niemand widerspricht. Renato Lenherr, Oberarzt Institut für Intensivmedizin, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist ein Mensch tot, kommt er als Organspender infrage. Aber: Wann ist denn ein Mensch tot?
Renato Lenherr: Als Folge der Erfindung der Beatmungsmaschine wurde die Todesfeststellung in den 1960er-Jahren neu definiert, weil das klar ersichtliche Fenster zum Tod verloren ging.
Einfach gesagt: Mit dem endgültigen Verlust der Hirnfunktion ist ein Mensch tot. Die Schweiz hält dieses Todeskriterium im Transplantationsgesetz fest: «Der Mensch ist tot, wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstammes irreversibel ausgefallen sind.»
Wie zeigt man, dass das Hirn keine Funktionen mehr hat?
Die gesetzlich genau bestimmte Todesfeststellung besteht aus sechs gegenseitigen Untersuchungen am reaktionslosen Patienten. Bei der Pupillenreaktion leuchten wir beispielsweise mit Licht ins Auge. Beim Gesunden wird der Reiz in den Hirnstamm weitergeleitet und dort in einem Kern verarbeitet. Als Reaktion geht ein Signal zurück zum Auge und verkleinert die Pupille.
Eine mögliche Organspende wird erst zum Thema, wenn der Patient sicher nicht überleben wird.
Wenn bei keinem der zwölf untersuchten Nerven eine Reaktion kommt, ist das Hirn ausgefallen. Grundlage hierfür ist eine komplett ausgefallene Durchblutung des Gehirnes, welche wir sehr gut zeigen können, mit technischen Untersuchungen.
Wenn Sie den Hirntod bestimmen müssen – wie gehen Sie vor?
Zuerst schliessen wir alle Faktoren aus, die eine Untersuchung verfälschen könnten. Danach folgt die klinische Untersuchung durch zwei Fachärzte, wie ich sie vorhin beschrieben habe. Erhalten wir keine Reaktion vom Hirn, ist der Patient hirntot. Das bedeutet auch, dass bei dieser Person das Herz aufhört zu schlagen, sobald wir die Beatmungsmaschine abstellen.
Es ist schwierig zu beschreiben, aber man merkt als Angehöriger vor Ort durchaus, wenn das Gehirn einer Person abgestorben ist.
Während des ganzen Prozesses sind wir in einem engen Austausch mit den Angehörigen. Wir besprechen die Situation und treffen gemeinsam eine Entscheidung im Sinne des Patienten. Eine mögliche Organspende wird erst zum Thema, wenn der Patient sicher nicht überleben wird.
Kann ein Körper noch Lebenszeichen zeigen, nachdem er für hirntot erklärt wurde?
Ein Hirntod kann klar bestimmt werden – und er bedeutet, dass der betroffene Mensch so nicht mehr da ist. Aber sterben ist ein Prozess. Auch bei einer Person, die hirntot ist, funktionieren Teile des Körpers oder einzelne Zellen noch für eine gewisse Zeit.
Bei Reizen kann es deshalb noch zu Bewegungen, etwa der Muskeln, kommen. Das sind aber keine Lebenszeichen des Menschen, sondern mechanische Reizantworten.
Leute haben Angst, dass die Maschine bei sich oder Angehörigen abgestellt wird, obwohl noch Überlebenschancen bestehen würden. Was können Sie diesen Personen sagen?
Ich kann die Angst der Menschen verstehen. Aber als Arzt kämpfe ich immer um das Leben des Patienten. Dieses zu retten ist mein Job und den möchte ich erfüllen. Aber leider ist das Hirn sehr sensibel, weshalb uns das nicht immer gelingt. Unsere Untersuchungen zeigen klar, ob ein Gehirn noch lebt oder nicht.
Die Ärzte, die für eine Organtransplantation zuständig sind, sind erst später in den Prozess involviert, wenn bereits klar ist, dass der Patient keine Überlebenschancen mehr hat. Während der ganzen Zeit binden wir die Angehörigen mit in den Entscheidungsprozess ein. Es ist schwierig zu beschreiben, aber man merkt als Angehöriger vor Ort durchaus, wenn das Gehirn einer Person abgestorben ist.
Das Gespräch führte Viviane Bischoff.