Würde die Massentierhaltungsinitiative angenommen, müsste Tanja Müller, Landwirtin mit einem Schweinemast-Betrieb im luzernischen Ebersecken, den Tierbestand um ein Viertel einschränken. «Das ist für uns eine Existenzfrage», sagte sie in der «Arena» am Freitagabend. Sie habe immer ins Tierwohl auf ihrem Hof investiert. «Doch nun fühle ich mich wie eine Verbrecherin.»
Die Initiative gegen die Massentierhaltung, über die am 25. September abgestimmt wird, will die Würde des Tieres in der Landwirtschaft in der Verfassung verankern. In der Schweiz sollen, etwa in puncto Auslauf oder Platzverhältnisse, mindestens die Vorgaben der Bio Suisse-Richtlinien von 2018 gelten.
Das Ziel sei eine tiergerechte Landwirtschaft in der Schweiz, erklärte Mitinitiant Philipp Ryf. Nur 13 Prozent der Nutztiere hätten beispielsweise heute Auslauf in der Schweiz. Das seien unhaltbare Zustände. «Die Leute wären vorsichtiger mit dem Konsum, wenn sie wüssten, wie Fleisch in der Massenproduktion hergestellt wird», sagte Ryf.
Befürworterinnen fordern bessere Qualität
Die Initiative ziele weit an der Marktrealität vorbei, sagte hingegen Mitte-Nationalrat Markus Ritter, denn Label-Produkte würden kaum gekauft. Heute betrage der Marktanteil von Bio-Produkten 11 Prozent.
Wird die Initiative angenommen, steigen also die Preise für Tierprodukte.
«Ein Bio-Bauer braucht doppelt so lange, bis ein Tier das Schlachtgewicht erreicht hat, er braucht mehr Futtermittel, grössere Ställe, der Aufwand ist insgesamt grösser», so Mitte-Nationalrat Ritter. Damit liessen sich die höheren Preise von Bio-Produkten erklären. «Wird die Initiative angenommen, steigen also die Preise für Tierprodukte, und zwar für die Konsumentinnen und Konsumenten, den Handel sowie die Gastronomie», warnte Ritter.
Man zahlt etwas mehr, erhält aber auch bessere Qualität.
Die Preise würden tatsächlich etwas steigen, sagte Meret Schneider, Mitinitiantin und Grüne-Nationalrätin. «Ich finde es etwas irritierend, dass gerade Bauern, die für faire Preise für ihre Produkte und Arbeit einstehen müssten, hier für möglichst günstige Lebensmittel werben.» Lebensmittel, vor allem tierische Produkte, müssten wieder mehr wertgeschätzt werden. «Man zahlt etwas mehr, dafür erhält man aber auch bessere Qualität.» Mit Blick auf Ressourcen, Umwelt und Gesundheit sei es zudem sinnvoll, eine Reduktion des Fleischkonsums zu erwirken.
Das sei offensichtlich eine Bevormundung der Konsumentinnen und Konsumenten, entgegnete FDP-Nationalrätin Petra Gössi. Den Schweizerinnen und Schweizern werde vorgeschrieben, nur noch Bio-Produkte essen zu dürfen, kein konventionelles Fleisch mehr. Das schränke etwa Familien ein, die sich solche nicht leisten könnten.
Gegner sorgen sich um Versorgungssicherheit
Die Gegnerinnen und Gegner der Initiative betrieben «Angstmacherei», kritisierte derweil SP-Ständerat Daniel Jositsch. Es gehe lediglich um die industrielle Produktion, um Betriebe, wo das Tierwohl systematisch verletzt werde. «Es redet niemand davon, die gesamte Landwirtschaft zu bestrafen.»
SVP-Nationalrat Mike Egger bestreitet aber, dass es hierzulande noch Massentierhaltung gibt. «Wir haben in der Schweiz das strengste Tierschutzgesetz der Welt», sagte er. Wenn man dagegen verstosse, habe das «knallharte Konsequenzen», bis zur Schliessung des Betriebs. Vielmehr sei es eine «Antitierwohlinitiative». «Wir wären auf mehr Importprodukte angewiesen, die man kaum kontrollieren kann.»
Anders als Landwirtin Tanja Müller befürwortet Alfred Schädeli, Demeter-Bauer in Wernetshausen im Kanton Zürich und Präsident des Vereins für biologische-dynamische Landwirtschaft, die Vorlage. «Wir haben gemerkt, dass es den Tieren mit Auslauf und überschaubaren Gruppengrössen besser geht.» Die Initiative sei deshalb ein Meilenstein in Sachen Tierwohl.
Wie viel dem Stimmvolk das Tierwohl wirklich wert ist, wird sich am Abstimmungssonntag zeigen.