Es war bis zuletzt ein regelrechter Abstimmungskrimi: Das Stimmvolk hat die sogenannte Gerechtigkeitsinitiative der SVP zwar mit über 51 Prozent angenommen. Doch auch der Gegenvorschlag des Kantonsrates kam an der Urne durch.
«Gerechtigkeitsinitiative»
Kanton Zürich: Volksinitiative «Gerechtigkeit schaffen – Krankenkassen-Prämienabzug der Realität anpassen»
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JA
140'632 Stimmen
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NEIN
134'665 Stimmen
Gegenvorschlag
Kanton Zürich: Gegenvorschlag zur «Gerechtigkeitsinitiative»
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JA
148'709 Stimmen
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NEIN
121'480 Stimmen
Entscheidend war deshalb die Stichfrage. Lange sah es so aus, als würde die Gerechtigkeitsinitiative obsiegen. Es wäre eine Sensation gewesen, schliesslich kämpften nur SVP und EDU für die Vorlage. Schliesslich aber gaben 50.1 Prozent der Stimmberechtigten dem Gegenvorschlag den Vorzug. Lediglich 700 Stimmen machten den Unterschied aus.
Befürworter und Gegner freuen sich
Die SVP sieht sich aber nicht auf der Verliererseite. «Ich freue mich in erster Linie über das doppelte Ja», sagt der SVP-Kantonsrat Stefan Schmid. Er nehme zur Kenntnis, dass sich der Gegenvorschlag durchgesetzt habe. «Auf jeden Fall gibt es für Zürcherinnen und Zürcher nun höhere Steuerabzüge.»
Die SVP-Initiative forderte für Erwachsene einen Abzug von 3600 Franken bei den Krankenkassenprämien in der Steuererklärung. Dies wären 1000 Franken mehr gewesen als heute. Bei Kindern sollte der Abzug um 200 Franken steigen.
Der Gegenvorschlag sieht hingegen nur leicht höhere Steuerabzüge für Erwachsene vor. Sie können jetzt 300 Franken mehr für ihre Krankenkassenprämien abziehen.
«Der Gegenvorschlag ist eine Kompromissvorlage, die auch von der Regierung unterstützt wurde», sagt Hans-Jakob Boesch. Der Präsident der Zürcher FDP ist zufrieden mit dem Abstimmungsresultat. «Die Abzüge sind moderater. Deshalb haben auch die Gemeinden den Gegenvorschlag unterstützt.» Dies habe wohl bei der Stichfrage den Ausschlag gegeben.
Nebst der FDP kämpften auch EVP und die Mitte für den Gegenvorschlag. Denn eine Annahme der Gerechtigkeitsinitiative hätte Steuerausfälle von je 150 Millionen Franken für Kanton und Gemeinden bedeutet.
Laut SP fehlten finanzielle Mittel
SP, Grüne, AL und GLP lehnten hingegen beide Vorlagen ab. Sie argumentierten, dass hauptsächlich Haushalte mit hohen Einkommen von den Steuerabzügen profitieren würden.
Dass dies an der Urne kein Gehör fand, liegt laut SP-Kantonsrat Harry Brandenberger am Abstimmungskampf. «Unser Komitee war nicht sehr sichtbar. Wir hatten zu wenig finanzielle Mittel, um das doppelte Nein mit einer grossen Plakatkampagne analog zur SVP unter die Leute zu bringen.» Die SP sei aber froh, dass die Steuerausfälle jetzt weniger hoch seien als bei der Gerechtigkeitsinitiative.
Resultat ist noch nicht definitiv
Der Gegenvorschlag führt bei Kanton und Gemeinden zu rund 90 Millionen Franken weniger Steuereinnahmen. Die Vorlage tritt voraussichtlich am 1. Januar 2024 in Kraft.
Das Resultat ist allerdings noch nicht definitiv. Weil es so knapp ist, befasst sich der Zürcher Regierungsrat noch damit. Er entscheidet voraussichtlich am Mittwoch, ob weitere Abklärungen nötig sind.