Die deutliche Zustimmung von 62 Prozent zum Covid-Gesetz ist eine herbe Niederlage für die Massnahmenkritikerinnen und -kritiker. Trotzdem dürften sie nicht so rasch verstummen, glaubt die Politologin Michelle Beyeler.
SRF News: Schwächt das klare Ja zum Covid-Gesetz jetzt die Bewegung der Massnahmen-Kritiker?
Michelle Beyeler: Das deutliche Ja dürfte zumindest dazu führen, dass die Bewegung kaum weiter wachsen wird und kaum neue Sympathisantinnen und Sympathisanten mobilisiert werden.
Schon das Zustandekommen des Referendums war für die Massnahmenkritiker ein politischer Erfolg.
Doch das Engagement der bereits Mobilisierten dürfte die Niederlage kaum beeinflussen. Denn sie konnten sich während der Abstimmungskampagne politisch sozialisieren, ausserdem war schon das Zustandekommen des Referendums ein politischer Erfolg.
Sie rechnen also damit, dass die Proteste weitergehen?
Ja. Über die Proteste erhalten die Gegner die Gelegenheit, ihre Kritik zu äussern. Solange, wie der Bundesrat oder die Kantonsregierungen Massnahmen wegen der Pandemie aussprechen müssen – und diese vielleicht auch noch einmal verschärfen müssen –, ist mit Protesten zu rechnen. Denn diese sind immer eine Antwort auf Behördenentscheide.
Einige Gruppen unter den Massnahmenkritikern wollen eine neue Partei gründen: «Aufrecht Schweiz» soll sie heissen. Sie planen laut ihrer Webseite die Teilnahme an Gemeinde-, Kantons- sowie an den nationalen Wahlen 2023. Welches Potenzial hat eine solche Partei in der Schweiz?
Es ist immer schwierig, eine neue Partei zu etablieren. Viele Massnahmenkritiker werden sich wohl eher einer etablierten Partei zuwenden – etwa der SVP, die sich ja bereits in eine entsprechende Startposition gebracht hat.
Eine Partei ‹Aufrecht Schweiz› könnte lokal durchaus an einigen Orten funktionieren.
Sie ist schon seit Längerem staatskritisch unterwegs und spricht Personen an, die sich gegen die bestehende politische Elite wenden. Gesamtschweizerisch wird es eher schwierig für eine Partei «Aufrecht Schweiz». Aber lokal könnte sie durchaus an einigen Orten funktionieren.
Die Gegnerschaft ist sehr heterogen – von ganz links bis ganz rechts. Wird man da überhaupt einen gemeinsamen politischen Nenner für Themen abseits von Corona finden?
Tatsächlich ist unklar, für welche Werte eine solche Partei steht und inwiefern sie sich von den etablierten Parteien unterscheiden würde. Auch frage ich mich, ob das eine Thema – gegen die Corona-Massnahmen zu sein – als politisches Programm funktionieren kann.
Wo sehen Sie mehr Potenzial für die Massnahmenkritiker – auf der Strasse oder in der Politik?
Politik kann auch auf den Strassen stattfinden – und dort sehe ich diese Bewegung in Zukunft durchaus. Auch auf direktdemokratischem Weg ist mit diesen Menschen zu rechnen. Die Idee einer politischen Partei wird dagegen eher nicht funktionieren, vor allem nicht auf nationaler Ebene.
Das Gespräch führte Claudia Weber.