- Eine hauchdünne Mehrheit von 43 Prozent der Stimmberechtigten befürwortet die Justiz-Initiative, 42 Prozent sind dagegen.
- Das zeigt die erste SRG-Umfrage für die Abstimmungen vom 28. November.
- Hohe 15 Prozent waren zum Befragungszeitpunkt im Oktober noch gänzlich unentschieden. Das gibt Spielraum für Kampagnen.
Bundesrichterinnen und Bundesrichter sollen per Losverfahren bestimmt werden – und nicht mehr wie bisher durch die Wahl der Bundesversammlung. Das fordert die Justiz-Initiative.
Trotz knapper Ja-Mehrheit ist im Abstimmungskampf noch alles offen. Denn gemäss der ersten SRG-Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR liegen die Stimmabsichten unter Berücksichtigung des Stichprobefehlers im Patt. Nur 39 Prozent der bisher Mobilisierten haben sich fünf Wochen vor der Abstimmung schon eine klare Meinung gebildet.
«Die Initianten haben zwar gute Argumente, die von den Befragten geteilt werden. Doch ebenso die Gegner. Entsprechend ist das Bild noch sehr unklar», bestätigt Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern. Das wenig gefestigte Meinungsbild verweist auf Spielraum für Kampagnen. Umso mehr, da die Justiz-Initiative neben dem polarisierenden Covid-Gesetz und der Pflege-Initiative etwas in Vergessenheit geraten ist.
Entsprechend ist das Konfliktmuster zur Justiz-initiative bislang wenig betont. Nur in drei Gruppen finden sich eindeutige Mehrheiten: Sympathisanten der Grünen und solche mit den tiefsten Haushaltseinkommen sagen Ja, die FDP Nein.
Am deutlichsten sind die Stimmabsichten politisch beeinflusst: Neben Personen mit Sympathien für die Grünen hätten die SP-Basis und Parteiungebundene relativmehrheitlich ein Ja in die Urne gelegt. In der Mehrheit gegen die Initiative positionieren sich Mitte- und SVP-nahe Stimmbeteiligte.
Zudem sind die Stimmabsichten sozioökonomisch geprägt. Die Zustimmung zur Justiz-Initiative sinkt mit dem Einkommen. Bis zu einem Haushaltseinkommen von 7000 Franken monatlich ist sie mehrheitlich gegeben. Danach kippen die Stimmverhältnisse.
Es sei oft so, dass Menschen mit tiefem Einkommen am meisten Sympathien für Initiativen haben, erklärt Mousson. «Das ist eine Gruppe, die sich tendenziell eher spät im Abstimmungskampf inhaltlich mit den Themen auseinandersetzt. Entsprechend sind das Sympathien und eher nicht harte Stimmbekundungen.»
Ähnliches zeigt sich entlang der Schulbildung: Je höher diese ausfällt, desto höher ist die Ablehnung. Doch auch in der höchsten Bildungsgruppe ist sie nur relativmehrheitlich.
Regional betrachtet ist die Skepsis gegenüber der Justiz-Initiative in ländlichen Gebieten grösser als in kleinen bis grossen Agglomerationsräumen. Befragte aus ländlichen Gebieten hätten vor allem Nein gestimmt, solche aus grösseren Siedlungsräumen primär Ja.
Theoretisch ist eine knappe Annahme der Justiz-Initiative weiterhin möglich. Doch das sei unwahrscheinlich, sagt Martina Mousson. «Die gegnerischen Argumente sprechen dafür, dass die Initiative am Ende abgelehnt wird. Eines davon ist, dass das jetzige Wahlsystem der Richterinnen und Richter am Bundesgericht gut funktioniert und es deshalb keinen Grund gibt, etwas zu ändern.»
Da die Zustimmung zu einer Initiative im Abstimmungskampf in der Regel weiter sinkt, dürfte es die Justiz-Initiative schwer haben.