- 78 Prozent der Befragten wollen gemäss SRG-Umfrage der Pflege-Initiative zustimmen, 15 Prozent sind dagegen.
- Die meisten haben sich ihre Meinung bereits gebildet. Nur 7 Prozent sind noch unentschlossen.
- Damit könnte die Pflege-Initiative zur ersten gewerkschaftlich orientierten Initiative seit 1981 werden, die angenommen wird.
Die erste SRG-Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR zeigt bereits ein deutliches Bild: Wäre im Oktober abgestimmt worden, hätten 48 Prozent der Befragten bestimmt für die Volksinitiative «Für eine starke Pflege», kurz Pflege-Initiative, ein Ja eingelegt.
Die Zustimmung ist in allen untersuchten Gruppen hoch. So befürworten in allen drei Sprachregionen und Altersgruppen mehr als drei Viertel der bisher Mobilisierten die Initiative. Und sowohl in ländlichen Gebieten als auch in grossen Agglomerationen liegt der Ja-Stimmenanteil fünf Wochen vor der Abstimmung bei über 70 Prozent.
Erfolg der Gewerkschaft bahnt sich an
Die Initiative verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege fördern und der Bund die Arbeitsbedingungen regelt.
Seit 1981 waren die Gewerkschaften nie mehr erfolgreich mit einer Initiative. Denn in aller Regel verlieren Initiativen im Laufe des Abstimmungskampfes immer mehr an Unterstützung. Gemäss Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern könnte dem Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal (SBK) mit der Pflege-Initiative ein historischer Erfolg gelingen.
«Die Parolen für diese Initiative sind nicht nur von links. Die GLP empfiehlt ein Ja und die Mitte hat Stimmfreigabe beschlossen. Das spricht dafür, dass bei den Parteibasen eine andere Ausgangslage besteht», erklärt Golder.
Darüber hinaus hat sich bislang kein grosser Widerstand formiert. Nur in drei Gruppen sind mehr als eine von fünf Personen gegen die Initiative. Das betrifft Personen aus Haushalten mit mehr als 11’000 Franken Einkommen, sowie die Anhängerschaften von FDP und SVP. Bleibt es bei diesen Werten, ergibt sich bei der SVP und der FDP ein Elite-Basis-Konflikt.
Laut Golder ist Widerstand vonseiten der Wirtschaft unpopulär, da auch bei der FDP- und SVP-Anhängerschaft deutliche Ja-Mehrheiten zu finden sind. «Die Wirtschaft hat sich entschieden, sich nicht mit aller Vehemenz zu wehren. Sie hat die Möglichkeit, zusammen mit der rechten Mehrheit im Parlament die Umsetzung einer allfällig angenommenen Pflege-Initiative noch zu verwässern. Entsprechend hält sie sich vielleicht aus taktischen Gründen etwas zurück.»
Neben dem beschränkt aufscheinenden Links-Rechts-Profil besteht ein gewisser Graben zwischen den Geschlechtern. Männer wollen zu 19 Prozent gegen die Initiative stimmen, Frauen lediglich zu 13 Prozent. Das habe mit dem veränderten Abstimmungsverhalten von Frauen zu tun, erklärt der Politexperte.
Seit den Wahlen 2019 spüre man eine Tendenz, dass Frauen bis zum Schluss eine eigenständige Position einnehmen. «Bei der Situation in der Pflege oder in der Umweltpolitik äussern Frauen ihre Präferenzen viel deutlicher als früher. Zudem merkt man, dass die Pflege ein von Frauen geprägter Berufsstand ist.»
Besonders mobilisierend wirkt das Argument des Pflegenotstands und dass es bessere Arbeitsbedingungen braucht, weil fast die Hälfte des Pflegefachpersonals aus dem Beruf aussteigt. «Der Problemdruck wird wegen Covid-19 gut wahrgenommen», bestätigt Golder. Die Chancen für ein historisches Ja zur Pflege-Initiative stehen gut: «Es ist fast nicht möglich, diesen Ja-Trend noch stark zu drehen.»