Eine hochemotionale Vorlage sei das Covid-19-Gesetz, sagt Politologe Urs Bieri vom Forschungsinstitut gfs.bern. Denn es ziehe Kritik aus verschiedensten Lagern auf sich.
Zum einen den Unmut über die Corona-Politik des Bundesrats. Zum anderen die Kritik am System mit der Frage, ob die Schweiz noch eine Demokratie sei oder nicht. «Inklusive Impfkritik gibt das eine hochexplosive Lage, die in den nächsten drei Monaten noch sichtbar werden kann», sagt Bieri.
Später Start
Für beide Seiten geht es um viel: Aus Sicht der Gegnerinnen und Gegner des Covid-19-Gesetzes um Grundwerte wie Rechtsstaat, Demokratie oder Meinungsfreiheit. Aus Sicht der Befürwortenden stehen Milliarden Hilfsgelder für Betriebe auf dem Spiel.
Eine Ja-Kampagne haben Parteien oder Verbände noch nicht gestartet. Sodass Mitte-Präsident Gerhard Pfister, der sich stark für das Gesetz engagiert, jetzt sagt: «Ich warne davor, dass man diese Abstimmung unterschätzt.» Es brauche den vollen Einsatz auch der Verbände, deren Mitglieder vom Gesetz profitierten: Wirtschafts- und Gewerbeverbände sowie die Sozialpartner.
Ich warne davor, dass man diese Abstimmung unterschätzt.
Gewerbeverband sieht den «Lead» beim Bundesrat
Viele Akteure sehen das allerdings anders. Beim Schweizerischen Gewerbeverband erklärt Vizedirektor Henrique Schneider, er befürworte das Gesetz, doch den «Lead» der Kampagne habe der Bundesrat. Er brauche das Covid-19-Gesetz und müsse für ein Ja sorgen.
Der Bundesrat braucht das Covid-19-Gesetz und muss für ein Ja sorgen.
Die Ja-Parole kann auch vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und vom Arbeitgeberverband erwartet werden. In den Abstimmungskampf stürzen möchten sie sich nicht. Der Verband der Fitness- und Gesundheitscenter, die auf Härtefallgelder zählen, erklärt Stimmfreigabe: Seine Statuten verpflichten ihn zu politischer Neutralität.
Risiken und Nebenwirkungen
Sich beim Covid-Gesetz zu exponieren, berge Risiken, erklärt Politologe Bieri zur grossen Zurückhaltung: «Man kann als Akteur sehr viel verlieren, wenn man sich im Sinn des Bundesrates äussert, denn die Stimmung in der Bevölkerung ist eher kritisch.» So könne es für Wirtschaftsakteure Sinn machen, sich verdeckt zu halten, um nicht zu provozieren.
Man kann als Akteur sehr viel verlieren, denn die Stimmung in der Bevölkerung ist eher kritisch.
Aus Sicht der Wirtschaftsverbände gibt es aber einen einfacheren Grund: Am 13. Juni stehen fünf Vorlagen an. Da wollten sich viele auf die Agrarinitiativen und das CO2-Gesetz konzentrieren.
Gastrosuisse: kleine Kampagne
Aus Politikersicht sagt Mitte-Präsident Pfister: «Wir kämpfen mit vollem Einsatz. Aber ich gebe zu: Mehr bedeutende Abstimmungen liegen für eine Partei, die Milizprinzipien hat, fast nicht mehr drin.»
Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer räumt ein, dass das Covid-Gesetz ein bisschen untergehe: «Wir werden uns sicher engagieren und eine kleine Kampagne machen.»
Gewerkschaftsbund: interne Kampagne
Eine Ja-Kampagne ist nun also bei Gastronomie- und Tourismus-Verbänden im Entstehen. Etwas mehr Unterstützung von grossen Verbänden wäre aber erwünscht, sagt Barbara Gisi, Direktorin des Schweizer Tourismusverbands: «Wir würden uns freuen, wenn angesichts der Wichtigkeit für uns noch ein bisschen mehr Energie ins Thema gesteckt würde.»
Wir würden uns freuen, wenn noch ein bisschen mehr Energie ins Thema gesteckt würde.
Zumindest eine interne Kampagne kündigt nun auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund an. Verglichen mit den Gegnerinnen starten die Befürworter also spät. Allerdings hat die Pandemie gezeigt: Die Lage kann sich rasch ändern, und es braucht Flexibilität bei der Kampagne. Vor diesem Problem stehen beide Lager.