Das Komitee gegen das Covid-19-Gesetz hat den Abstimmungskampf lanciert. Es wendet sich mit seiner Skepsis gegen die Corona-Massnahmen auch gegen eine Mehrheit der Bevölkerung, sagt der Politik-Geograf Michael Hermann.
SRF: Sie haben in Ihrer SRG-Corona-Umfrage im März gefragt, was wir Schweizer vom Schweizer Corona-Weg halten im Vergleich mit EU-Ländern. Was haben Sie herausgefunden?
Michael Hermann: 40 Prozent finden, die Schweiz mache es besser als die Nachbarstaaten. Nur 15 Prozent denken, sie mache es schlechter. Der Rest sieht keinen Unterschied. Seit dem Spätherbst, als die Fallzahlen explodierten, ist der Schweizer Weg wieder populärer geworden. Wenn es gelingt, mit nicht ganz so strengen Massnahmen wie die der EU, das Infektionsgeschehen einigermassen im Griff zu halten, dann sind viele Schweizerinnen und Schweizer stolz darauf. Falls die Lage aber nun entgleitet, kann das schnell wieder kippen.
Mit jedem Öffnungsschritt verschiebt sich auch die Kampfzone.
Sie haben festgestellt, dass die Massnahmen immer weniger Akzeptanz finden. Was meinen Sie, könnte das auch die Abstimmung im Juni beeinflussen?
Der Bundesrat hat jetzt vieles geöffnet, wie es eine Mehrheit der Bevölkerung wünschte. Das nimmt den Gegnern natürlich Wind aus den Segeln. Mit jedem Öffnungsschritt verschiebt sich jedoch auch die Kampfzone, nun geht es vermehrt um die Innenräume. Was wir feststellen, ist, dass der Bevölkerungsanteil, der weniger Massnahmen wünscht, seit einem Jahr von Umfrage zu Umfrage etwas zunimmt.
Der Verein der Verfassungsfreunde, der gegen das Covid-19-Gesetz antritt, sagt, er habe Parteigänger von links bis rechts. Glaubwürdig?
Ja, es gibt Unzufriedene in allen Lagern. Allerdings fällt schon auf, dass sich das Thema seit der ersten Welle stark ideologisiert hat. Heute sind es viel mehr Rechts- als Linksstehende und es sind insbesondere SVP-Wählerinnen und -Wähler, die grundsätzlich gegen die Massnahmen sind und dem Bundesrat misstrauen.
Nur eine Minderheit teilt die grundsätzliche Systemkritik der Verfassungsfreunde.
Die Verfassungsfreunde haben etliche Impfgegner und Gegnerinnen in ihren Reihen. Persönlich habe ich den Eindruck, dass die Skepsis gegen die Covid-19-Impfung da riesig ist. Wie schaut das in der ganzen Bevölkerung aus?
Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Haltung zur Impfung und jener zu anderen Massnahmen. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist grundsätzlich gegen die Covid-19-Impfung, viele davon halten auch andere Präventionsmassnahmen für übertrieben. Das gilt besonders für die Engagierten, die oft schlechte Absichten bei Wissenschaft und Behörden wittern.
7000 Mitglieder machen bei den Verfassungsfreunden mit, dazu kommen etliche andere kleinere Massnahmen-Gegner-Vereinigungen. Haben diese typischen Grasroots-Bewegungen überhaupt eine Chance, eine Abstimmung zu gewinnen?
Im Prinzip ist die Grösse hier kein Hinderungsgrund. Das hat sich bereits bei der eindrücklichen Unterschriftensammlung gezeigt. Das Thema ist dermassen präsent, dass man keine teure Abstimmungskampagne führen muss, um die Botschaft zu vermitteln.
Die Verfassungsfreunde haben zurzeit rund eine halbe Million Franken Spendengelder. Das wollen sie für den Abstimmungskampf gegen das Covid-19-Gesetz und das Polizeigesetz einsetzen. Das ist also nicht zu wenig?
Nicht Geld ist das Problem, sondern das Anliegen: Nur eine Minderheit der Bevölkerung teilt die grundsätzliche Systemkritik der Verfassungsfreunde. Eine Mehrheit will, dass die Politik und speziell der Bundesrat eine aktive Pandemiebekämpfung betreibt und auch Hilfsmassnahmen ergreift, selbst wenn sie nicht alles davon für gut und richtig hält.
Das Gespräch führte Michael Perricone.