Eine gleichgeschlechtliche Hochzeit in der Kirche könnte genau gleich aussehen wie eine normale Trauung, erklärt Matthias Zeindler von der Reformierten Kirche Bern Jura Solothurn. Zeindler leitet die Fachstelle Theologie der Berner Reformierten Kirche. «Es hat sich eingebürgert, dass der Vater die Braut in die Kirche führt. Das wäre auch möglich.» Dasselbe gilt bei Liedern, Gebeten, Predigten und dem Ringtausch. Wer’s gerne wie im Film hat, darf eine filmreife Hochzeit feiern. «Da würde ich bei einem gleichgeschlechtlichen Paar an keiner Stelle einen Abstrich machen», so Zeindler.
Bei einem gleichgeschlechtlichen Paar würde ich an keiner Stelle einen Abstrich machen.
Drastische Bibelverse
Die Schweizer reformierten Landeskirchen werden also Ja sagen, Ja zur Ehe für alle. Auch, wenn in der Bibel Homosexualität mit dem Tode bestraft wird. Theologe Zeindler blättert, 3. Buch Mose: «Und wenn jemand mit einem Mann schläft, wie man mit einer Frau schläft, so haben beide einen Gräuel verübt. Sie müssen getötet werden, auf ihnen liegt Blutschuld.»
Der liberale Theologe Zeindler mit einer historisch-kritischen Sicht auf die Bibel interpretiert diese Stelle heute so: «Das ist im Rahmen einer orientalischen, patriarchalen Gesellschaft zu verstehen, einer engen Gesellschaft, die auch wenig verträgt. Es ist eine Gesellschaft, in der stramme, sexuelle Normen herrschen müssen, damit das Zusammenleben garantiert ist. Heute in einer pluralistischen Gesellschaft ist das nicht mehr so.»
Für Freikirchen ein No-Go
Anders lesen und verstehen die Freikirchen die Bibel. Christian Haslebacher arbeitet für den Freikirchen-Verband Chrischona und ist auch Vorstandsmitglied des Dachverbandes Freikirchen Schweiz. «Wenn wir Zweifel haben, ob Gott ein Ja zu dieser Art Beziehungen hat, dann können wir selbst nicht im Namen Gottes ein Ja zu dieser Beziehung in einer Trauung aussprechen.»
Für Haslebacher kann es Freiräume geben bei der Interpretation der Bibel, aber nicht bei der Frage der Homosexualität: «In der Frage der Homosexualität macht die Bibel in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten immer eine kritische Aussage. Das macht es uns schwer, über diese Aussage hinwegzugehen.»
Wenn wir Zweifel haben, ob Gott ein Ja zu dieser Art Beziehungen hat, dann können wir selbst nicht im Namen Gottes ein Ja zu dieser Beziehung in einer Trauung aussprechen.
Das bedeutet aber nicht, dass die Freikirchen Menschen in homosexuellen Beziehungen komplett ablehnen würden. Haslebacher betont, schwule und lesbische Menschen seien auch in den Freikirchen willkommen. Aber eine Trauung oder die Segnung einer homosexuellen Beziehung komme nicht in Frage.
Pfarrer könnten sich dispensieren lassen
Es ist aber nicht so, dass bei den liberalen reformierten Landeskirchen nicht diskutiert oder gar gestritten würde in dieser Frage. Gerade die Berner Kirche hat einen freikirchlich-geprägten Flügel. Darum gibt es innerhalb der Berner Kirche einen Dialog-Prozess mit diesen Gruppen.
Und wenn eine Pfarrerin oder ein Pfarrer gleichgeschlechtliche Paare nicht trauen will, dann wird sie oder er das nicht tun müssen. «Es gibt schon jetzt die Möglichkeit, dass sich Pfarrer für einzelne Handlungen dispensieren lassen. Es gibt beispielsweise Pfarrer, die lehnen die Säuglingstaufe ab. Etwas in dieser Art wird man für auf jeden Fall in dieser Frage auch möglich machen.» Aber der Trend ist klar, sollte die Ehe für alle zivil eingeführt werden, führen die Reformierten die Ehe für alle auch kirchlich ein.
Das heisst: ein homosexuelles Paar, das eine kirchliche Trauung wünscht, wird bei den Reformierten an die Kirchentür klopfen müssen. Die Türe wird aufgehen und die Orgel spielt den Hochzeitsmarsch.