Regionaljournal Basel Baselland: Ueli Vischer, haben Sie schon verdaut, dass Basel die Uhrenmarken davonlaufen?
Ueli Vischer: Verdaut ist das falsche Wort. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt. Lustig ist das überhaupt nicht. Wir funktionieren professionell in unserer Unternehmung. Allerdings macht es mir manchmal schon Sorgen, was das für die Mitarbeitenden bedeutet, die direkt bei der Baselworld arbeiten. Das ist natürlich ein ungeheurer Schlag für sie. Zu den Schwierigkeiten Homeoffice kommt das jetzt noch dazu.
Machen Sie sich als Verwaltungsratspräsident auch persönlich Vorwürfe, dass es so weit gekommen ist?
In diesem speziellen Fall, also wegen den Absagen der grossen Uhrenfirmen wie Rolex und Patek Philippe nicht. Wir denken, wir haben gut mit ihnen kommuniziert. Es ging ja um die Verschiebung der Messe auf den kommenden Januar. Wenn wir die Baselworld 2020 jetzt hätten, wäre das nicht passiert. Oder zumindest noch nicht. Vielleicht wären sie später gegangen. Aber so gesehen ist das, was nach Ostern auf uns zukam, Corona-bedingt.
Heute kam aber ein weiterer Hammer: Auch die letzte grosse Gruppe, die noch dabei ist – LVMH mit Marken wie Zenith, Hublot oder Bvlgari - haben jetzt auch angekündigt, dass sie nicht mehr kommen. Damit ist die Baselworld am Ende, oder?
Die Baselworld mit ihrer grossen Bedeutung für unser Unternehmen und für die Wirtschaft unserer Region – eine solche Baselworld wird es nicht mehr geben. Das ist richtig. Es ist klar, dass LVMH und auch viele andere Unternehmen, die bei der Baselworld mitmachen wollten, sich jetzt neu orientieren und überlegen müssen, was sie mit der neuen Situation machen. Es ist auch unsere Aufgabe, abzurufen, was die Bedürfnisse unserer vielen Hundert Aussteller sind.
Aber die Grossen sind weg. Jetzt ist die Baselworld nur noch eine Ausstellung mit Kleinen. Kann sie so überleben?
Wir sind dran, das zu prüfen, in ganz vielen Gesprächen. Wir wissen ja nicht, welche Aussteller überhaupt noch an einer Baselworld interessiert sind. Wir überlegen uns, was könnte attraktiv sein für sie. Aber wir haben immer gesagt, dass die Messe anders wird, wenn die Grossen gehen. Viele Händler aus der ganzen Welt kommen vor allem wegen den grossen Ausstellern. Das hat grosse Auswirkungen auf eine allfällige verkleinerte Baselworld oder wie die Ausstellung dann auch immer heissen würde.
Blicken wir einige Jahre zurück. Basel war lange selbstverständlich Gastgeber der Uhrenbranche. Und jetzt laufen alle davon. Gibt es da allenfalls auch Selbstkritik?
Um das vorwegzunehmen: gewisse Sachen haben wir sicher nicht ideal gemacht, das ist auch bekannt. Vor sieben Jahren, als wir die neue Halle eröffnet haben, gab es eine grosse Begeisterung, auch bei der Uhrenbranche. Die hat eine halbe Milliarde Franken investiert in Stände. Aber wenige Jahre später fanden sie schon, der Markt habe sich verändert. Es gab in verschiedenen Regionen Wirtschaftseinbrüche, online kam dazu und die Idee der Händlermesse veränderte sich. Das ist eine enorme Veränderung der Branche, die die Branche selbst nicht vorausgesehen hat. Jetzt konzentriert sie sich auf Genf. Uns hatten Firmen schon vor Jahren gesagt, dass sie als Genfer Firmen eigentlich in Genf sein sollten. Jetzt haben sie das, die Corona-Krise nutzend, ganz schnell durchgeführt. Sie begründeten den Abgang auch damit, dass wir die Messe in den Januar verlegt haben, obwohl wir diensen Termin explizit einvernehmlich mit ihnen abgemacht haben.
Sie haben wirtschaftliche Einbrüche erwähnt. Damals kamen viele Uhrenmarken auf die Messe Basel zu. Sie stiessen quasi einen Hilferuf aus und baten um ein Entgegenkommen, beispielsweise um billigere Standmieten. Die Messe war damals in einer starken Position, liess die Muskeln spielen und kam den Uhrenmarken nicht entgegen. Sind diese Abgänge nun eine Retourkutsche, weil Basel ihnen damals auch nicht half?
Das kann ich nicht beurteilen. Die Uhrenaussteller sagten uns das so nicht. Es mag bei der Stimmung einen Einfluss gehabt haben. Beim Hallenbau haben wir den Ausstellern gesagt, dass die Mieten danach höher würden und für sie war das damals kein Problem. Man muss aber schon sehen, dass das, was sie uns abgeben müssen, vielleicht 10 oder 15 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Insofern sind das vielleicht psychologische Faktoren, wie Sie es angetönt haben, die eine Rolle gespielt haben mögen. Aber letztlich denken diese Gesellschaften unternehmerisch und sie beurteilen das heute anders als damals.
Ueli Vischer, Sie sind der Verwaltungsratspräsident des Unternehmens Messe Schweiz, das sich jetzt ganz neu aufstellen muss. Sind Sie auf diesem Posten noch der richtige Mann?
Heute findet der Verwaltungsrat, das sei der Fall. Sie können sich vorstellen, es ist nicht lustig, was in den vergangenen Jahren abging und es ist eine riesige Beanspruchung. Es ist nicht das, was ich jetzt unbedingt haben müsste. Ich würde mein Amt zur Verfügung stellen, wenn das im Interesse des Unternehmens wäre. Wir haben letztes Jahr die ganze Geschäftsleitung ausgewechselt und dann befunden, dass die Kontinuität auf diesem Posten wenigstens bleibt. Aber wir haben bereits an der ausserordentlichen Generalversammlung kommuniziert, dass sich die Struktur der Gesellschaft verändern wird in unmittelbarer Zukunft. Der Einfluss der öffentlichen Hand wird nicht eliminiert, aber er wird zurückgehen. Bei der Grösse des Verwaltungsrats, der Zusammensetzung und auch dem Präsidium wird es Änderungen geben. Bei der Generalversammlung 2020 trete ich nochmals an. Was danach geschieht, hängt von der Geschwindigkeit der Strukturänderungen ab.
Der Kanton Baselland will aussteigen. Bekommt er sein Geld zurück?
Ja, voraussichtlich bekommt er es zurück, wenn es fällig ist. Aber jetzt ist es nicht fällig. Der Kanton Baselland wollte das Geld jetzt, aber das können wir selbstverständlich nicht machen.
Die Messehallen sind teilweise leer. Welche anderen Messen wollen Sie in den Hallen der Baselworld machen?
Es sind nicht primär andere Messen, sondern diejenigen, die wir haben, Swissbau und Art Basel zum Beispiel. Die wollen wir ausbauen, modernisieren und natürlich auch digitalisieren. Und dann sind wir intensiv daran, uns um zusätzliche Messen zu kümmern, die wir nach Basel und Zürich holen wollen.
Sind Sie zuversichtlich für die Zukunft der Messebranche in Basel?
Es wäre verwegen jetzt zu sagen, wie die Situation in den kommenden zehn Jahren aussehen wird. Aber ich bin zuversichtlich. Fachleute sagen, dass wir auch in den nächsten zehn Jahren das Bedürfnis nach einem Ort haben, wo man sich physisch trifft und Austausch pflegt. Und das ist Aufgabe der Messen, ausgeweitet auf das Digitale natürlich. Die physischen Messen werden auch in Zukunft Berechtigung haben.
Die Uhrenbranche liess Basel links liegen. Haben Sie noch Lust, mit der Uhrenbranche zu arbeiten?
Das ist keine Frage der Lust. Das ist eine Frage der Professionalität. Und ja, wir wollen mit der Uhrenbranche weiterarbeiten. Wir haben damals auch mit Swatch-Chef Hayek nicht gebrochen, sondern sind regelmässig in Kontakt mit ihm. Die Uhrenfirmen, die Basel nun verlassen haben, die haben uns wirklich enttäuscht, auch in der Art und Weise, wie sie mit uns umgegangen sind. Aber aus professionellen Gründen muss man mit ihnen in Kontakt bleiben. Man weiss nie, ob man sich wieder einmal braucht, ob sie beispielsweise unsere Dienstleistungen im Standbau brauchen. Deshalb muss man das professionell und nicht als beleidigte Leberwurst abwickeln.
Tragen Sie noch eine Armbanduhr?
(Lacht) Ja, selbstverständlich. Das hat damit nichts zu tun. Ich habe keine Uhr einer der abtrünnigen Firmen an.
Wenn Sie so eine hätten, hätten Sie sie jetzt in eine Ecke geworfen?
(Lacht). Das habe ich mir noch nicht überlegt.
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