Es regnet vor der St. Jakobskirche im Zürcher Kreis 4. Anja Gada trifft sich mit anderen Klimastreikenden, um Transparente für die Klima-Demo zu malen. Vor zwei Jahren hat sie die Matura gemacht, seither in einem Kinofilm mitgespielt und auf dem Sekretariat der SP gearbeitet.
Dass die Klimabewegung nach so langer Zeit wieder auf die Strasse gehe, sei wichtig: «Wir hoffen, dass wir die Klimakrise auf der Prioritätenliste wieder nach oben bringen können.»
Ich würde nie an den Klima-Streik gehen.
Das sieht Sarah Bünter ähnlich. Sie ist Präsidentin der Jungen Mitte Schweiz, hat internationale Beziehungen studiert und arbeitet in einem Raumplanungsbüro. Mit dem Zug kommt sie von St. Gallen nach Zürich. An die Klimademo geht sie aber nicht: «Wir haben uns klar davon distanziert.» Das Anliegen sei wichtig, das Ziel müsse aber mit der Wirtschaft und nicht gegen sie erreicht werden.
Auch Matthias Müller will nicht zur Demo. «Ich würde dort nie hingehen.» Die Klimastreiks findet er nicht konstruktiv. «In der Regel sind da Schulkinder, die noch nie gearbeitet haben. Im Einzelnen verstehen sie die Sachlage nicht, auch wenn ich das nicht für mich beanspruche.»
Bünter und Müller räumen aber ein, dass die Klimastreikenden dem Thema viel Aufmerksamkeit verschafft haben und massgeblich dafür verantwortlich sind, dass nach dem Schiffbruch vor zweieinhalb Jahren nun ein neues CO2-Gesetz vorliegt.
Die junge FDP hat dazu Stimmfreigabe empfohlen – anders als die Mutterpartei, die das Gesetz geprägt hat und unterstützt. «Die Basis hat sich stark mit der Vorlage auseinandergesetzt – die eine Hälfte war dafür, die andere dagegen. Deswegen die Stimmfreigabe», sagt Müller. Für ihn widerspiegelt das die Haltung in der Bevölkerung: «Man sich ist bewusst, dass etwas passieren muss. Die Frage ist, was die geeigneten Mittel sind.»
Ich kann nicht verstehen, wie man gegen das CO2-Gesetz sein kann – ausser einem liegt das Klima nicht am Herzen.
Diese geeigneten Mittel stünden in der Vorlage, ist die Präsidentin der Jungen Mitte überzeugt: «Das Gesetz liefert Kostenwahrheit und das richtige Anreizsystem, um künftig gegen den Klimawandel zu kämpfen.» Dass andere junge Bürgerliche sich nicht zu einem Ja durchringen konnten oder das Gesetz gar ablehnen wie die Junge SVP, versteht sie nicht.
Gada vom Klimastreik vertritt eine dritte Meinung. Ihr und der ganzen Bewegung geht das Gesetz viel zu wenig weit. Die Massnahmen würden nie reichen, um die Schweiz bis 2030 klimaneutral zu machen, wie das die Klimastreikenden fordern. Doch wie sollte sich die Bewegung verhalten?
Es gebe verschiedene Ansichten, sagt Gada: Die einen würden von einem kleinen Schritt in die richtige Richtung sprechen; die anderen fänden, dass später gar nichts mehr gehe, wenn das Gesetz durchkomme. «Es kommt wohl auch darauf an, ob man der institutionellen Politik noch vertraut.»
Es irritiert mich, wenn Menschen sagen, die Klimakrise geht mich nichts an. Das stimmt einfach nicht.
Schliesslich haben Klimastreikende aus der Romandie Unterschriften für ein Referendum gegen das Gesetz gesammelt. Die Mehrheit in der Deutschschweiz aber hat sich für das Gesetz ausgesprochen, ohne Enthusiasmus, wie Gada sagt – auch weil die Öffentlichkeit kaum verstanden hätte, dass sich just die Klimastreikbewegung gegen das Gesetz ausspricht, das den Klimaschutz in der Schweiz voranbringen will.
«Es irritiert mich, wenn Menschen sagen, die Klimakrise geht mich nichts an. Das stimmt einfach nicht», sagt Gada. In diesem Punkt zumindest lassen die anderen befragten die Klimastreikende nicht im Regen stehen – bei allen Differenzen räumen auch sie dem Kampf gegen den Klimawandel hohe Priorität ein.