Der Bundesrat wollte Selbständige eigentlich nur noch dann unterstützen, wenn diese ihre Arbeit unterbrechen müssen, sollte der Staat diese aus Pandemiegründen verbieten. Der Nationalrat lehnte diesen Vorschlag letzte Woche mit einer überdeutlichen Mehrheit von 192 zu 3 Stimmen ab.
Es gebe viele Branchen, die zwar arbeiten dürfen, aber gleichwohl grosse Probleme hätten: Konzertveranstalter etwa dürfen ab dem 1. Oktober zwar wieder Grossveranstaltungen durchführen, doch ist der Terminkalender bei vielen bis weit ins nächste Jahr hinein leer. Auch viele Reiseunternehmen leider unter der Krise, weil die Menschen nicht reisen.
Konkurse kosten uns sehr viel mehr Geld. Ich verstehe nicht, warum der Bundesrat hier so auf die Bremse steht.
Der Staat solle auch denen helfen, die ihre Arbeit massgeblich einschränken müssen, bekräftigte der Nationalrat heute sogar einstimmig.
Zur Zufriedenheit von SP-Nationalrätin Mattea Meyer: «Ich bin sehr froh, dass der Nationalrat hier Gegensteuer gibt und die tausenden Kleinunternehmen und Selbständigen – vor allem in der Reise- und Veranstaltungsbranche – retten will. Denn Konkurse kosten uns sehr viel mehr Geld. Und ich verstehe nicht, warum der Bundesrat hier so auf die Bremse steht.»
Linke Haltung schafft es bis in rechte Reihen
Meyer, die Grünliberale Melanie Mettler und SVP-Nationalrat Albert Rösti waren die Promotoren der nationalrätlichen Haltung. Dieser sagt damit unisono Ja zu einer eigentlich linken Haltung – mit staatlichen Geldern Selbständige unterstützen.
Für Rösti spielt das keine Rolle: «Wir sind schon für Eigenverantwortung und gegen staatliche Unterstützung. Aber wenn der Bundesrat mit seinen Schutzkonzepten ein Angebot von Dienstleistungen verunmöglicht, dann ist er selbstverständlich haftbar.»
Der Nationalrat baute zwei neue Punkte in seine eigene Haltung ein: Er legte einen klaren finanziellen Rahmen fest und begrenzte zudem die Hilfe für Selbständige bis im nächsten Sommer statt bis Ende des nächsten Jahres. Diese Neuerungen führten möglicherweise dazu, dass Bundeskanzler Walter Thurnherr die nationalrätliche Haltung nicht mehr so kategorisch ablehnte wie letzte Woche noch.
Und vor allem könnten diese Neuerungen auch den Ständerat überzeugen, hofft etwa Rösti: «Ich glaube, mit der klaren Beschränkung sagen wir auch: Es geht jetzt darum, dass sich diese Firmen allenfalls neu ausrichten können. Eine Dauerfinanzierung lehnen wir natürlich ab. Ich hoffe sehr, dass der Ständerat zustimmen wird.»
Druck auf Ständerat ist gross
Der Druck auf den Ständerat und dabei vor allem auf die CVP ist gross. Sie war letzte Woche dafür verantwortlich, dass die entscheidende Abstimmung wiederholt werden musste, weil der jurassische CVP-Vertreter Ja mit Nein verwechselte. Nach der Wiederholung kippte die Mehrheit – nun hiess es 20 zu 19 gegen die Unterstützung der Selbständigen.
Doch scheint seither bei manchen ein Umdenken stattgefunden zu haben. So sagt etwa der Chef der CVP-Gruppe im Ständerat, Pirmin Bischof: «Ich war das letzte Mal gegen die Gesamtkonzeption skeptisch. Jetzt bin ich der Meinung, dass es eine faire Lösung ist, die finanziell umgrenzbar und tragbar ist. Dafür werde ich mich einsetzen.»
Denn, ruft er in Erinnerung: «Es geht immerhin darum, dass wir es mit einigen Branchen zu tun haben, die – wenn wir nichts machen –, vor dem Nichts stehen. Und das kann keiner Politikerin und keinem Politiker egal sein.» Die betroffenen Selbständigen dürften sich freuen – für sie sind das gute Neuigkeiten.