Wie können Menschen und Wildtiere zusammenleben? Das ist das Fachgebiet von Darius Weber. Der 60-jährige Biologe arbeitet als selbstständiger Experte. Unter anderem berät er Modellbau-Flieger bei der Suche nach Flugplätzen.
In seinem Studium hatte er sich vor allem mit Füchsen und Iltissen beschäftigt. Zum Wisent kam er vor 20 Jahren, erzählt der Rodersdorfer im Gespräch mit SRF. Als er in Polen Wölfe beobachtete, war er von den dort frei lebenden Wisenten beeindruckt. Seither umtreibt ihn die Frage: «Warum schaffen wir es nicht, dass wir das grösste Wildtier bei uns leben lassen?»
«500 Kilogramm Steak»
Einst war der Wisent nämlich auch bei uns heimisch. Der enge Verwandte der nordamerikanischen Bisons, die man von Indianer-Filmen her kennt, wurde aber ausgerottet. «Ein Wisent, das sind 500 Kilogramm Steak», erklärt Darius Weber, weshalb das Tier in unserem Breitengrad zum grössten Teil schon vor dem Mittelalter verschwand.
Seine Idee, Wisente in der Schweiz anzusiedeln, hat Weber in den letzten 20 Jahren stetig vorangetrieben. Im Rahmen von Projektwettbewerben hat er sein Wisent-Projekt mehrmals präsentiert: Bei Coop Naturaplan wurde er vorstellig, beim WWF, beim Kanton Aargau.
Seit 2017 versucht Darius Weber nun in seinem Wohnkanton Solothurn Wisente anzusiedeln. Er ist Gründungs-Mitglied des Vereins «Wisent Thal». Die Idee des Vereins wurde 2017 über die Grenzen der Region hinaus kontrovers diskutiert.
Mit Aufmerksamkeit habe er gerechnet, sagt Weber. Er habe erwartet, dass die Leute zum Beispiel fragen, ob sie noch in den Wald können, wenn es dort Wisente habe.
Wir hätten erwartet, dass mehr Neugier vorhanden ist, oder auch Freude, dass man dieses Tier wieder zurückerhalten könnte
Nicht erwartet hat der Biologe indes die grundsätzliche Ablehnung, die dem Wisent-Projekt zum Teil entgegenschlägt. So lehnt beispielsweise der Solothurner Bauernverband nur schon einen Versuch mit einer Wisent-Herde kategorisch ab, weil er Schäden an Landwirtschafts-Land befürchtet.
«Dass man zum Teil generell die Idee, ein Tier bei uns zu haben, völlig absurd oder hirnrissig findet, wie jemand in der Zeitung geschrieben hat, das hätten wir nicht gedacht», sagt Initiant Weber. «Wir hätten erwartet, dass mehr Neugier vorhanden ist, oder auch Freude, dass man dieses Tier wieder zurückerhalten könnte.»
Doch dem Wisent-Projekt schlägt nicht nur kategorische Ablehnung entgegen. Es gibt auch offene Begeisterung. Das geplante Schaugehege könne den Tourismus in der Region Thal ankurbeln, hoffen einige. Touristiker sehen die Kioske bereits Plüsch-Wisente verkaufen.
Plüsch-Wisente am Kiosk?
Was sagt der Wildtier-Biologe dazu, dass seine Wisente verkommerzialisiert werden könnten? Darius Weber hat keine Mühe damit. Eine Kommerzialisierung sei ein Zeichen der Wertschätzung dem Wisent gegenüber. Weber kann sich nicht nur Plüsch-Wisente vorstellen, sondern auch Wisent-Steaks in den Restaurants.
«Falls das Projekt funktioniert, werden wir den Wisent jagen oder anders regulieren müssen. Die Tiere würden geschossen und hoffentlich gegessen», sagt Weber zu einer möglichen definitiven Auswilderung nach dem geplanten zehnjährigen Versuch.
Die Tiere würden geschossen und hoffentlich gegessen.
Noch ist es nicht soweit. Noch ist die Finanzierung nicht gesichert. Eigentlich wollte der Verein bis Ende 2017 4,4 Millionen Franken sammeln. Das werde sich ein paar Monate verzögern, sagt Weber. Frühestens in einem halben Jahr werde man ein Gesuch einreichen können.
2018 - Jahr der Entscheidung
Die Bewilligungen für einen Freisetzungs-Versuch zu erhalten, wird die nächste grosse Hürde für das Wisent-Projekt sein. Darius Weber und seine Wisent-Freunde brauchen unter anderem eine Bewilligung «für nachteilige Waldnutzung».
Während der Testphase gelten die Wisente nämlich als Haustiere, der Verein wäre für sie verantwortlich, würde Schäden bezahlen. Erst nach der definitiven Auswilderung nach frühestens zehn Jahren würden die Wisente als Wildtiere gelten.
Zwar seien in der Schweiz schon solche Bewilligungen erteilt worden, sagt Optimist Weber. Aber die Solothurner Behörden müssten ein öffentliches Interesse erkennen am Wisent-Projekt. «Und da gibt es natürlich Spielraum», ist sich der Biologe bewusst.
Und wenn der Kanton Solothurn kein öffentliches Interesse erkennt und keine Bewilligung erteilt? «Wahrscheinlich hören wir dann auf», sagt Darius Weber vorsichtig. Man wolle nicht etwas erzwingen und bis vor Bundesgericht kämpfen. Wahrscheinlich werde man dann andere Gegenden in der Schweiz suchen, wo Wisente willkommener wären.
Im Solothurner Kantonsparlament war das Wisent-Projekt 2017 als Träumerei kritisiert worden. Vielleicht sei er tatsächlich ein Träumer, sagt Darius Weber dazu. «Aber Träume können ja auch wahr werden.»