Es ist ein regelrechter Schlagabtausch, den sich Spaniens sozialistische Regierung und die rechte Opposition in diesen Tagen liefern. Anlass sind die Feierlichkeiten zum Todestag des Diktators Francisco Franco am 20. November 1975.
Ministerpräsident Pedro Sánchez kündigte die Initiative im Dezember an und sagte, sie habe das Ziel, «den grossen Wandel hervorzuheben, der in diesem halben Jahrhundert der Demokratie erreicht wurde». Über 100 Veranstaltungen sind geplant.
Boykott der Opposition
Bei grossen Teilen der Opposition stösst dieses Vorhaben auf wenig Gegenliebe. So will die konservative Volkspartei PP den Auftakt der Feierlichkeiten boykottieren. Ihr Vorsitzender Alberto Núñez Feijóo findet, dass diese Gedenkfeiern nur dazu dienen, die öffentliche Aufmerksamkeit von den Rückschlägen von Pedro Sánchez abzulenken.
Die Regierung blickt in ihrer Verzweiflung ständig in die Vergangenheit. [...] Damit langweilen sie uns!
Dieses Programm komme von einer Regierung, «die in ihrer Verzweiflung ständig in die Vergangenheit blickt», prangerte Feijóo an. «Damit langweilen sie uns! Wir arbeiten mit den Spaniern von heute für die Spanier von morgen».
Mit der «Verzweiflung» spielt der PP-Vorsitzende auf die Korruptionsprozesse an, in die Personen aus dem Umfeld von Pedro Sánchez verwickelt sind. Es geht ihm dabei aber auch um die heikle politische Situation im Parlament, wo Sanchez keine Mehrheit hat.
Wie die PP bleibt auch die rechtsextreme Vox-Partei der Eröffnungszeremonie fern. Ebenso wird Spaniens König Felipe VI. nicht daran teilnehmen – eine umstrittene Abwesenheit.
Wenn die Tatsache, Demokratie und Freiheit zu feiern, irgendjemanden langweilt, dann ist das besorgniserregend
Die Sozialisten ihrerseits erklären diese Reaktion der Opposition mit den Ursprüngen der PP, die auf eine Partei zurückgehen, die 1976 von einem ehemaligen Franco-Minister gegründet wurde. «Wenn die Tatsache, Demokratie und Freiheit zu feiern, jemanden langweilt, dann ist das gelinde gesagt besorgniserregend», entgegnete die Regierungssprecherin und Ministerin für Bildung und Sport, Pilar Alegría.
Kritik auch von links
Harsche Worte zur Initiative von Pedro Sánchez kommen ebenso von der äussersten Linken. Sie sieht es als «Täuschung» an, die Tatsache zu verschleiern, dass Spanien ihrer Meinung nach nicht viel in Bezug auf Reparationen für die Opfer der Diktatur getan hat.
Im Jahr 2022 verabschiedete der Premierminister ein «Gesetz des demokratischen Gedenkens», das die Einrichtung eines Registers der Opfer des Franquismus und die Entfernung von Symbolen der Diktatur vorsieht. Doch wegen eines Amnestiegesetzes konnten die Täter nicht vor Gericht gestellt werden.
Spanische Diktatur endete anders als andere
Für Joan María Thomàs, Professor für Zeitgeschichte an der katalanischen Universität Rovira i Virgili und Spezialist für Franquismus, hat die Spaltung damit zu tun, dass das Ende der Diktatur in Spanien nicht «brutal war, wie das der portugiesischen, deutschen oder italienischen Diktaturen».
«Es gab ein sehr gutes Abkommen, in dem man jedoch nach vorn blicken wollte, ohne sich mit den Ungerechtigkeiten der Vergangenheit aufzuhalten», sagt Thomàs. Seiner Meinung nach ist die Erinnerung an Francos Tod eine «positive» Sache, da die spanische Bevölkerung «sich nicht vollständig darüber im Klaren ist, wie wichtig es ist, ein demokratisches Regime wiedererlangt zu haben [...] und es konsolidieren zu können.»