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Aktiv im Alter Warum immer mehr Rentner eine zweite Jugend erleben

Aufgrund des medizinischen Fortschritts, der steigenden Lebenserwartung und einer neuen Einstellung zum Älterwerden erleben viele Rentnerinnen und Rentner eine zweite Jugend. Das Westschweizer Fernsehen RTS hat einige davon getroffen.

Anfang Oktober 2024 spielt sich bei strömendem Regen auf der Place de la Gare in Delsberg eine ungewöhnliche Szene ab: Dutzende Seniorinnen und Senioren haben sich zu einem Flashmob versammelt. Zum Lied «Je suis fou» («Ich bin verrückt») tanzen und singen sie, um ihre Jugendlichkeit zu betonen.

Noé Mayer, Verantwortlicher für die Aktivitäten von Pro Senectute im Jurabogen und Mitorganisator der Veranstaltung, erklärt: «Wir wollten das Bild von älteren Menschen mit dem dynamischen Ansatz eines Flashmobs kombinieren, um zu zeigen, dass Rentner sehr wohl junge Dinge tun können.»

Ein Ruhestand im Rampenlicht

Der fast 80-jährige Alain Peyrot aus dem Kanton Waadt beginnt seinen Tag schon im Morgengrauen. Der Rentner verfügt über eine beeindruckende Muskulatur. Er hat sie aufgebaut, nachdem er mit 60 Jahren mit dem Krafttraining begonnen hatte.

Screenshot eines Instagram-Profils, darauf zu sehen ein muskulöser älterer Herr beim Muskeltraining.
Legende: Der fast 80-jährige Alain Peyrot ist heute ein aktiver Fitness-Influencer. SRF

Der ehemalige Präsident der Genfer Stadtwerke ist heute Influencer, ihm folgen mehr als 200'000 Nutzer und Nutzerinnen auf Instagram, Youtube und Tiktok.

Auch John und Jacqueline Allemann, zusammen 160 Jahre alt, stemmen sich gegen die Klischees. «Unser Sohn spart, um ein Haus zu kaufen. Wir hingegen geben alles für Ferien und Kreuzfahrten aus», erzählt Jacqueline lachend.

Als pensionierte Französisch- und Italienischlehrerin gibt sie heute Tanzunterricht, während John Gemäldeausstellungen organisiert. «Wir sind gesund und geniessen so viel wie möglich.»

Man fühlt sich später alt

Laut einer Studie des Bundes fühlte man sich 1990 mit 69 Jahren alt. Heute hat sich dieses Alter auf 80 Jahre verschoben. Christian Suter ist Soziologe an der Universität Neuenburg. Er war an der Studie beteiligt. Er erklärt, dass der medizinische Fortschritt und der steigende Lebensstandard an dieser Veränderung beteiligt sind, aber nicht nur. Es sei auch eine Frage der Werte.

«Diese neuen Generationen älterer Menschen waren in den 1960er und 1970er Jahren junge Teenager oder in ihren Zwanzigern. Einige waren vielleicht auch Punks in den frühen 1980er Jahren. Es ist also eine Generation, für die insbesondere Individualität sehr wichtig ist», erläutert er.            

Eine Party ohne Alter

Einmal im Monat gehen John und Jacqueline ins Mad, eine ikonische Diskothek der Lausanner Jugend, zur «Forever Young»-Party, die für über 60-Jährige reserviert ist. «Wir haben uns gesagt, dass wir jedes Monatsende dorthin gehen, um uns zu amüsieren und Spass zu haben», sagt John. «Wenn man wirklich tanzt, hat man kein Alter», ergänzt Jacqueline.

Brenda, Corinne und Emma geniessen einen Aperitif, bevor sie sich ebenfalls auf den Weg zur Party machen. Brenda Spencer, eine ehemalige Ärztin mit englischen Wurzeln, ist der Meinung, dass man gegen die Stereotypen von Senioren kämpfen muss: «Es ist, als ob man unsichtbar wird. Der Körper wird vielleicht älter, aber im Grunde ist man immer noch man selbst, man ist immer noch die gleiche Person, die Spass hat. Wenn man die Musik liebt, hört man nicht auf, die Musik zu lieben, wenn man das Tanzen liebt, hört man nicht auf, das Tanzen zu lieben.» Jacqueline geniesst es: «Es ist wunderbar. Alle lassen los, das ist ein physisches und psychologisches Bedürfnis.»

RTS Mise au point, 19.01.2025, 20:10 Uhr

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