Für die Energiewende ist ein Faktor entscheidend: hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Um diese anzulocken, ist unter anderem der Lohn ausschlaggebend. Doch die Gehälter sind vergleichsweise niedrig, wie das italienischsprachige Radio RSI berichtet. Warum? RSI hat mit dem Umweltwissenschaftler Francesco Vona und dem Wirtschaftswissenschaftler Moreno Baruffini gesprochen.
RSI: Wie kann man «grüne Arbeitsplätze» definieren?
Francesco Vona: Das ist schwierig, abgesehen von den offensichtlichen Jobs, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien. Denn es gibt viele andere Arbeitsplätze, die mit der Energiewende verbunden sind, zum Beispiel im Baugewerbe. Da die Daten fehlen, kann man diese Tätigkeiten schlecht identifizieren. Dafür bräuchte es neue Methoden. Was wir in diesem Fall als «grün» definieren, sind die Arbeitsplätze, die zur Emissionsreduzierung beitragen. Das sind 3 Prozent der Arbeitnehmenden insgesamt, aber wir denken, dass dieser Sektor in Zukunft stark wachsen wird.
Welche Fähigkeiten braucht es in diesen Berufen?
Francesco Vona: Qualifikationen in Zusammenhang mit Design oder technologischer Planung. Sprich Fähigkeiten, die ein höheres Fachwissen erfordern, als «nicht-grüne Arbeiten» in derselben Kategorie.
Mehr Qualifikationen bei eher unattraktiven Gehältern also.
Francesco Vona: Genau. Das ist das eigentliche Problem der «grünen Wirtschaft». Zunächst einmal muss man zwischen hoch qualifizierten Arbeitnehmern und niedriger Qualifizierten unterscheiden. Hoch qualifizierte Arbeitnehmende, die in einem Unternehmen arbeiten, das «grüne Technologien» herstellt, verdienen laut den Erhebungen weniger, als wenn sie beispielsweise im Finanzsektor arbeiten würden. Andererseits gibt es bei gering qualifizierten Arbeitsplätzen starke Engpässe in Bezug auf neue Qualifikationen, die benötigt werden. Daher wird es Druck in Richtung höherer Löhne geben.
Moreno Baruffini: In der Schweiz arbeiten Menschen mit solchen Fähigkeiten häufig im Finanzsektor und bekommen dort gute Gehälter. Wenn wir den Nachwuchs dazu bringen, in bestimmten «grünen Berufen» zu arbeiten, dürfte dies auch zu einem Anstieg der Löhne führen.
Was ist Ihre Prognose für Berufe im Bereich der erneuerbaren Energien?
Moreno Baruffini: Es gibt nur wenige Studien, aber wir wissen, dass in Wachstumsphasen «grüne Berufe» stärker wachsen als «nicht-grüne». Wir stellen fest, dass diese Jobs in der Wirtschaft noch nicht weit verbreitet sind. Das Ergebnis lässt jedoch hoffen, dass einige grüne politische Ziele erreicht werden können.
Bewegt sich die Ausbildung in die richtige Richtung, um Arbeitnehmenden diese «grünen Fähigkeiten» zu vermitteln.
Moreno Baruffini: Jein. Es entwickelt sich alles sehr schnell. Doch in der Schweiz und auch im Tessin passt sich das Bildungswesen diesen neuen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt an. Unsere Universität bietet in Airolo derzeit beispielsweise fakultative Kurse zu Nachhaltigkeit an.
Die Gespräche führte Camilla Luciani (RSI).