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Bataillon «Alcatraz» Wenn aus Häftlingen Verteidiger der Ukraine werden

Tausende ehemalige Häftlinge in der Ukraine haben sich für den Kriegseinsatz entschieden und werden dafür mit einer Strafreduktion belohnt. Das Bataillon «Alcatraz» ist eine der Armee-Einheiten, die ausschliesslich aus Ex-Häftlingen besteht. Ein Besuch in ihrem Ausbildungslager.

Nach Angaben von Präsident Wolodimir Selenski benötigt die Ukraine zur Verteidigung gegen Russland eine Armee von 1.5 Millionen Soldaten, fast das Doppelte der derzeit etwa 880'000 Männer und Frauen in Uniform. Trotz einiger Reformen im letzten Jahr geht die Rekrutierung neuer Soldaten jedoch nur schleppend voran.

Eine der neu ergriffenen Massnahmen ist die Rekrutierung von Häftlingen im Austausch für eine Strafminderung. Das im Jahr 2024 verabschiedete Gesetz zeigt jetzt seine Wirkung. Laut Jewhen Horobets, Leiter der Abteilung für Strafvollzug im Justizministerium, dienen derzeit über 8000 ehemalige Häftlinge in den ukrainischen Streitkräften. 900 weitere Anträge werden in diesen Tagen geprüft.

Video von RSI zum Bataillon «Alcatraz» (mit dt. Untertiteln)

Das «Alcatraz»-Bataillon, Teil der 93. Brigade, ist eine der Einheiten, die speziell geschaffen wurden, um diese neuen Freiwilligen aufzunehmen. Vor etwa zwei Monaten gebildet, befindet es sich heute im Donbass – bereit, an vorderster Front eingesetzt zu werden, sobald die Soldaten ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Das Übungsgelände befindet sich etwa 15 Kilometer von Pokrowsk entfernt. Das ist die Schlüsselstadt dieses Gebiets im Donbass, das sich noch in ukrainischer Hand befindet. «Ich liebe diese Jungs, als wären sie eine Familie», sagt April, 32 Jahre alt, eine Freiwillige aus Kanada, die sich dem Bataillon als Sanitätssoldatin angeschlossen hat. «Viele dieser Menschen haben sehr schwierige Zeiten hinter sich», sagt sie. Auch ihre Mutter habe eine Zeit im Gefängnis in Kanada verbracht, darum verstehe sie die Situation ihrer Kameraden.

Das Bataillon der Ex-Sträflinge

Soldaten wie Artem, ein Maurer und Schweisser. Er sass wegen Raubüberfalls im Gefängnis. «Ich bin froh, dass ich mich angemeldet habe», sagt er. «Es ist ein viel besseres Leben als im Gefängnis.» Oder wie Tolkien, dessen Kampfname vom Autor des Buchs «Herr der Ringe» inspiriert ist: Er sass wegen Drogendelikten im Gefängnis und hofft, nach dem Krieg wie sein Onkel Bauer zu werden.

Kaum Material, viel Moral

Im Bataillon gibt es lauter Menschen mit bewegten Geschichten. Anis ist Palästinenser und stammt aus Rafah im Gazastreifen. Das Haus seiner Familie wurde vor wenigen Monaten von israelischen Bomben zerstört. Er selber war da schon längst ausgewandert. Seit 20 Jahren lebt er in der Ukraine. Nach der Inhaftierung wegen eines Verkehrsunfalls meldete er sich freiwillig, um das zu verteidigen, was er «meine neue Heimat» nennt.

Was die Versorgung mit moderner Ausrüstung betrifft, steht das Bataillon, das aus lauter Häftlingen besteht, am Ende der Prioritätenliste. Seine Soldaten hantieren mit alten AK-47, es fehlt ihnen an allem. April hat Social-Media-Konten für die Einheit erstellt, um Spenden zu sammeln. Drohnen und Autos sind die zwei am meisten benötigten Güter.

Die ehemaligen Häftlinge kompensieren den Mangel an Waffen mit einer hohen Moral. So sieht es zumindest Alexander, der Ausbildungsunteroffizier des Bataillons, ein Berufssoldat mit acht Jahren Erfahrung. «Manchmal haben Zivilisten wenig Entschlossenheit», sagt er. «Es ist einfacher, mit ehemaligen Häftlingen zu arbeiten.» Sie seien sich bewusst, dass ihre zukünftige Freiheit von ihrem Verhalten abhänge.

Heute Morgen, 14.4.2025, 6 Uhr

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