Nahe einem Zürcher Vorort wird Gerste unter strengen Sicherheitsvorkehrungen angebaut. Denn es ist keine gewöhnliche Gerste – es handelt sich um eine genmanipulierte Sorte. Es ist ein Interessenkonflikt zwischen Wissenschaft und dem Bedarf an erhöhter Nahrungsmittelproduktion einerseits und der Kritik an gentechnisch veränderten Pflanzen andererseits.
Die Sorte «Golden Promise» ist der Star des allerersten Feldversuchs in der Schweiz mit einer Kulturpflanze, deren Gene mit der Genschere Crispr/Cas9 bearbeitet wurden. Die Wissenschaftlerinnen, die diese Technik entdeckt haben, erhielten dafür 2020 den Nobelpreis. Sie ermöglicht es, bestimmte genetische Informationen in einer Pflanze zu löschen, hinzuzufügen oder zu ersetzen, die mit bestimmten erwünschten oder unerwünschten Merkmalen verbunden sind.
Der Einsatz einer solchen genetischen Scherentechnologie ermöglicht eine präzisere Manipulation von Merkmalen als bei der herkömmlichen Pflanzenzüchtung. Und es geht schneller: Die Entfernung eines Merkmals wie Krankheitsanfälligkeit oder die Hinzufügung eines Merkmals wie Trockenheitsresistenz kann in nur wenigen Jahren statt in einem Jahrzehnt erreicht werden.
Langwierige Verfahren
Das bedeutet, dass die Forschenden wie bei gentechnisch veränderten Pflanzen eine Genehmigung beim Bundesamt für Umwelt einholen müssen, ein Verfahren, das ohne Einwände sechs Monate dauern kann. Ausserdem sind Massnahmen erforderlich, um sicherzustellen, dass es nicht zu einer unbeabsichtigten Freisetzung ausserhalb des Versuchsfeldes kommt.
Das Zögern der Regierung, die Schleusen der Gentechnik zu öffnen, ist auf die hiesige Ablehnung gentechnisch veränderter Lebensmittel zurückzuführen. Nach einer landesweiten Abstimmung im Jahr 2005 wurde ein Moratorium für gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verhängt, das nur Ausnahmen für die Forschung zulässt. Das Moratorium wurde seither mehrmals verlängert und gilt derzeit bis 2025.
Im März 2023 forderte das Parlament jedoch den Bund auf, einen Gesetzesentwurf vorzubereiten, der die Einführung eines risikobasierten Zulassungssystems für Pflanzen und Saatgut vorsieht, die mit der Crispr-Technologie entwickelt wurden. Es soll eine Ausnahme geschaffen werden für gentechnisch veränderte Pflanzen, die keine fremden Gene enthalten und einen Mehrwert für Landwirtschaft, Umwelt und Konsumentinnen und Konsumenten bieten. Der Gesetzentwurf wird voraussichtlich im September zur Konsultation vorgelegt.
Daran wird sich auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) beteiligen. Die Organisation ist besorgt über die möglichen Auswirkungen der Genmanipulation auf die biologische Landwirtschaft und erarbeitet eine eigene offizielle Stellungnahme zu diesem Thema.
«Wir sehen das Potenzial von Gene Editing darin, den Einsatz von synthetischen Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft kurzfristig zu reduzieren», sagt Monika Messmer, Co-Gruppenleiterin Pflanzenzüchtung am FIBL.
Sie befürchte aber, schnelle technische Lösungen könnten bewirken, «dass die wichtige und dringend notwendige Transformation hin zu nachhaltigeren Agrar- und Ernährungssystemen weiter hinausgeschoben wird».