Das EU-Parlament hat heute weniger strengen Regeln für gentechnisch veränderte Lebensmittel zugestimmt. Neue Gentechnikverfahren erlauben Züchtungen von Pflanzen, die auch durch herkömmliche Methoden wie Selektion hätten entstehen können.
Die Debatte im EU-Parlament verlief hitzig. Die Mehrheit der Abgeordneten wolle die Bio-Landwirtschaft abschaffen, wetterte Thomas Waitz, Vertreter der Grünen aus Österreich: «Sie wollen die biologische Landwirtschaft mit Gentechnik kontaminieren – wohlgemerkt einer Produktionsmethode, die möglichst naturnah arbeitet. Gentechnik ist ja wohl das Gegenteil von naturnah.»
«Gentech ist Gentech. Punkt.»
Entlang dieser Linie wurde gestritten: Wie sind die modernen Gentechnikverfahren zu klassifizieren? Beschleunigt der Mensch dank moderner Technik einfach einen natürlichen Prozess? Oder bleiben die neuen Verfahren gentechnische Veränderungen, die in der EU-Lebensmittelproduktion verboten bleiben sollen?
Marie Toussaint aus Frankeich, ebenfalls Grüne, verwies auf ein Urteil des obersten EU-Gerichtes: Gentech sei Gentech. Punkt. In Wahrheit gehe es nur darum, dass Saatguthersteller Profite auf Kosten von Bauern und Konsumentinnen einstreichen wollten.
Die Grenzen verschwimmen
Ganz so einfach zu klassifizieren sind die neuen Gentechverfahren nicht. Weder Richterinnen noch Wissenschaftler möchten sich festlegen. Die Grenze zwischen natürlich und künstlich wird verwischt, weil das Ziel nachweislich auf zwei Wegen zu erreichen ist: Resistentere Pflanzen können durch mehrmalige, konventionelle Kreuzungen gezüchtet werden. Oder eben auch über eine Abkürzung gentechnisch im Labor.
Ein simpler, wichtiger Effizienzgewinn, meinte der Rechtsaussen-Politiker Pietro Fiocchi aus Italien. Die Gentechnikverfahren würden den Bäuerinnen und Bauern erlauben, beim Anbau weniger Pestizide einzusetzen. Das sei im allgemeinen Interesse.
Als Liberaler will ich, dass die Landwirte und Verbraucher entscheiden können.
Wenn im EU-Parlament rechts gegen links argumentiert, gewinnt die liberale Mitte an Entscheidungsgewalt. Andreas Glück von der deutschen FDP plädierte für einen kritisch-konstruktiven Kurs in dieser stark ideologisch gefärbten Debatte: «Als Liberaler will ich, dass die Landwirte und Verbraucher entscheiden können.»
Deswegen sei es gut, dass es die Kennzeichnungspflicht für Saatgut gebe, so Glück weiter. «Man kann der Landwirtschaft nicht immer nur sagen, wie es nicht geht. Wir sollten ihnen auch sagen, wie es geht. Wir brauchen dieses Gesetz ganz dringend.»
Die Wut der Bauern lindern
Die Ratsrechte setzte sich zusammen mit der politischen Mitte durch. Die Deklarationspflichten bleiben beschränkt. Nur Saatgut, das gentechnisch verändert wurde, muss gekennzeichnet werden, nicht aber Lebensmittel im Laden.
Nun beginnen die Verhandlungen des Parlaments mit dem Rat der EU-Mitgliedsstaaten. Gerne würden die rechten Parteien das Gesetz definitiv verabschieden, um den aktuell aufgebrachten Bauern entgegenzukommen. Die EU plant nämlich eine Ausweitung des Verbots für den Einsatz von Pestiziden.
Wahrscheinlich beginnen die Verhandlungen jedoch erst nach den Europawahlen im Juni. In Bezug auf die umstrittenen Gentechnikverfahren wären klare Mehrheitsverhältnisse auf jeden Fall hilfreich.