Etienne Bucher züchtet an der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope in Changins Reispflanzen, die mit neuster Gentechnik robuster gegen Hitze und Trockenheit gemacht werden. Für den Leiter Genomdynamik sind die sogenannten neuen Gentechniken, kurz NGT, mit deren Hilfe das Pflanzen-Genom (Erbgut) gezielt verändert werden kann, zukunftsweisend.
Einerseits könne man damit das komplette Erbgut einer Pflanze anschauen. Andererseits liessen sich mit Genom-Editierung spezifische Gene an- und abstellen: «Wenn man die zwei Technologien kombiniert, kann die Zucht massiv beschleunigt werden.»
Das sei beispielsweise wegen des Klimawandels dringend nötig, sagt Etienne Bucher. In der Schweiz können NGT derzeit nur im Labor wachsen, weil die Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen gelten. Darum werden die Agroscope-Reispflanzen in Taiwan im Feld getestet.
Aktuell werden genveränderte Organismen vom «Bundesgesetz über die Gentechnik im Aussenhumanbereich» so definiert (Art. 5 Absatz 2): «Gentechnisch veränderte Organismen sind Organismen, deren genetisches Material so verändert worden ist, wie dies unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt.»
Die Forschung argumentiert nun, dass das bei Genom-editierten Pflanzen nicht der Fall sei, weil sie auch auf natürlichem Weg entstehen könnten, da sie keine transgene DNA, also Erbgut einer anderen Art, enthalten. Beispielsweise wenn ein Gen eines Wildapfels, der gegen eine Krankheit resistent ist, einem Kulturapfel beigefügt wird, der diesen robuster mache, sei dies ein Vorgang, der auch in der Natur vorkommen könne.
Für Monika Messmer, Stellvertretende Leiterin Departement für Nutzpflanzenwissenschaften am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL in Frick, ist Genom-Editierung kein Thema, weil sowohl Bio-Konsumentinnen als auch Bio-Produzenten Gentechnik und gentechnisch veränderte Pflanzen ablehnten. Genom-Editierung werde überbewertet und sei ein ziemlicher Hype.
Das FiBL verfolge andere Ansätze, sagt sie: «Wir versuchen, mehr im System zu züchten und zu verstehen, wie die Pflanze in ihrer Umwelt interagiert.» Etwa mit Pflanzen in der Umgebung oder mit Mikroorganismen im Boden. Sie befürchtet, dass Genom-Editierung dazu beitrage, eine ohnehin nicht nachhaltige Landwirtschaft weiterzuführen, statt umzudenken.
Das tatsächliche Risiko, das die Pflanzen darstellen, kennt man heute noch nicht.
Zweifel an der Präzision der NGT meldet auch Urs Brändli, Präsident von Bio-Suisse, an. Er befürchtet Nebeneffekte: «Das tatsächliche Risiko, das die Pflanzen darstellen, kennt man heute noch nicht.» Forschung und Wissenschaft sollten weiter daran arbeiten, sagt Urs Brändli: «Aber heute ist nicht der Moment, grosse Hoffnungen in die neuen Züchtungstechnologien zu haben.»
Ergänzung zu konventioneller Züchtung
Etienne Bucher von Agroscope sieht Genom-Editierung als Ergänzung zu konventioneller Züchtung: «Auf weniger Platz könnte mehr produziert werden mit neuen Zuchtmethoden, also mit Intensivierung. Dadurch würde man Land frei lassen für Biodiversität. Am Schluss hat man einen positiven Effekt für die Biodiversität.»
Wie auch immer die Schweiz entscheidet: Genom-Editierung ist auf dem Vormarsch: China hat bereits 362 Genom-editierte Pflanzen in einer internationalen Datenbank (Eusage) erfasst. Die USA folgen mit 145 Einträgen. Diverse andere Länder stehen in den Startlöchern.