Bangladesch gilt als regelrechter «Hotspot» für die Folgen des Klimawandels. Es ist eines der dicht besiedelten Länder der Welt, mit einer Bevölkerung von über 170 Millionen Menschen. Es gehört zu den ärmsten Staaten in Asien. Und es ist aufgrund seiner Topografie anfällig für die negativen Auswirkungen des Klimawandels.
Die jährlichen Zyklone werden häufiger und heftiger, die Dürreperioden ausgeprägter. Und es kommt immer wieder zu Überflutungen, einerseits wegen der höheren Niederschlagsmengen, andererseits wegen der Gletscherschmelze im Himalaya, die die 800 Flüsse des Landes anschwellen lassen.
Jan Freihardt von der ETH Zürich wollte mit einem Team genauer herausfinden, wie die davon betroffenen Menschen darauf reagieren. Insbesondere wollte er untersuchen, ob es stimmt, was in Europa in der angeheizten Debatte über Migration oft zu hören ist: dass der Klimawandel noch mehr Menschen in ärmeren Ländern dazu verleite, Zuflucht in einem reicheren Land zu suchen.
Je näher, desto besser
Freihardt hat mit einem Team in Bangladesch während vier Jahren 2200 Menschen begleitet, die im Norden des Landes am Fluss Jamuna leben. Das grösste Problem dort sei die Flusserosion. «Innerhalb dieser Zeit haben mehr als zehn Prozent ihr Dorf verlassen», sagt Freihardt. «Die meisten gingen in ein Nachbardorf, wenige in nahe gelegene Städte, und das auch nur temporär. Ins Ausland ging praktisch niemand.» Die Deutlichkeit der Resultate habe ihn überrascht.
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Die Vorstellung, dass Klimaflüchtlinge ihr Haus in Richtung Stadt oder Ausland verlassen, ist weit verbreitet. Aber sie ist verzerrt: Die allermeisten bleiben als intern Vertriebene im eigenen Land – und zu einem grossen Teil auch ganz in der Nähe ihres Wohnortes.
Schweiz stellt Hilfe ein
Jinat Hossein ist Forscherin an der Universität Zürich und führt Studien in den Sundarbans durch, den riesigen Mangrovenwäldern an der Küste Bangladeschs. Dort sei die Situation anders als im Norden: «Das grösste Problem ist die Versalzung des Bodens», sagt Hossein. Ein Ausweichen sei schwierig, weshalb es mehr Migration gebe. Diese sei jedoch oft zeitlich begrenzt. Frauen gingen zeitweise in die Städte in Textilfabriken arbeiten, oder Männer suchten sich saisonale Arbeit in anderen Landesteilen. Manche gingen auch ins Ausland, dorthin, wo bereits Bekannte aus ihrer Region seien.
Ausgehend von Szenarien, die von zunehmender Binnenmigration aufgrund des Klimawandels ausgehen, unterstützt die Regierung in Dhaka zahlreiche lokale Initiativen, die darauf zielen, Klimaflüchtlinge rasch einzubinden – und zwar möglichst in der Nähe ihres ursprünglichen Wohnorts. «Gibt man den Leuten eine Perspektive, dann wollen sie gar nicht umziehen. Was sie wollen, ist Sicherheit für ihre Familien, und Möglichkeiten, sich der neuen Realität anzupassen», betont Hossein.
Dafür bräuchte es auch Hilfe von aussen. Zurzeit geschieht aber das Gegenteil. So hat die Schweiz – wie viele andere Länder in Europa – ihre Entwicklungshilfe reduziert. Seit fünf Jahrzehnten ist die Schweiz in Bangladesch tätig, die Bewältigung negativer Folgen des Klimawandels war dabei einer der Pfeiler der bilateralen Unterstützung. Bis 2028 sollen die Programme der Schweiz in Bangladesch ganz eingestellt werden.