«Es gibt kein Recht auf Adoption und auch kein Recht auf ein Kind.» Es war am 29. Januar dieses Jahres, als SP-Bundesrat Beat Jans mit diesen Worten den Sinn eines neuen Gesetzgebungsvorschlags zusammenfasste: Die Schweiz soll sich aus der Welt der Auslandsadoptionen zurückziehen.
Was den Bundesrat zu diesem Entscheid bewogen hat, sind die vielen illegalen Adoptionen, die zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren stattgefunden haben und Empörung auslösten, als sie aufgedeckt wurden. Nun will Bern nicht mehr zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt.
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Das Risiko, dass Kinder aus armen oder korrupten Ländern von skrupellosen Menschenhändlern verkauft werden könnten, kann laut der Regierung nicht vollständig ausgeschlossen werden. Zu diesem Schluss kam auch eine Fachgruppe, die einen sehr detaillierten Bericht zu diesem Thema verfasst hat.
Dieser Befund stösst bei den Befürworterinnen und Befürwortern von Adoptionen auf Unverständnis. Sie betonen, die Kontrollen seien heute sehr streng geworden. Auch gebe es immer weniger Herkunftsländer der Kinder, und die würden immer stärker überwacht. Die lockeren Praktiken der Vergangenheit seien durch minutiöse Protokolle ersetzt worden. Wer schon einmal adoptiert hat, weiss das gut. Ein Adoptionsverfahren dauert heute mindestens zwei Jahre, oft aber auch länger.
Das Thema hat besonders im Tessin für Diskussionen gesorgt, ein Kanton, der gegenüber Adoptionen offener ist als andere. Kurz nach der Ankündigung des Bundesrats wurde dort ein Verein mit dem Namen «Gruppe Adoption und Familien Schweiz» mit dem Ziel gegründet, den Widerstand gegen das geplante Adoptionsverbot nach Bern zu tragen.
Kaum war er gegründet, gab es auch Beitritte aus dem Rest der Schweiz. Auch Politiker und Politikerinnen unterstützen den Verein. An vorderster Front stehen die Tessiner Nationalräte Giorgio Fonio (Mitte) und Simone Gianini (FDP). Sie waren bereits an der Gründungsversammlung im Februar in Agno TI anwesend und baten gleich danach SP-Bundesrat Beat Jans um Erklärungen. Dieser antwortete mit denselben Argumenten, die er bereits Ende Januar geäussert hatte.
Sammlung für Petition gestartet
In der Zwischenzeit hat ein anderer Nationalrat, Nik Gugger (EVP/ZH), selbst ein Adoptivkind aus Indien, eine Petition «Ja zur Adoption» gestartet, um internationale Adoptionen zu retten. In wenigen Tagen hat er über 8000 Unterschriften gesammelt. Das Ziel ist, bis zum 11. April 10'000 zu erreichen.
Heute werden in der Schweiz jährlich etwa dreissig Kinder, die in ihrem Heimatland zu Waisen geworden sind, Teil einer Adoptivfamilie. Es sind nicht viele, in der Vergangenheit waren die Zahlen deutlich höher. Aber jedes Leben, dem man eine Zukunft geben könne, zähle, betonen die Adoptionsbefürworter. Die Schweiz dürfe die Türen nicht verschliessen, fordern sie. Als Alternative schlagen sie vor: noch mehr Kontrollen, Reformen und eine Reorganisation. So wie es auch im Abschlussbericht, den die Adoptionsexpertinnen und -experten der Regierung vorgelegt haben, sehr detailliert dargelegt worden sei.
Aber das ist nicht der Weg, den der Bundesrat gehen will. Er erachtet ihn als zu aufwendig und zu kostspielig. Die Debatte verspricht hitzig zu werden, vielleicht hitziger als vom Bundesrat selbst erwartet.