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Krieg in der Ukraine Die geheimen Rettungsstützpunkte an der Kriegsfront

Von unterirdischen Stationen aus retten ukrainische Teams ihre verletzten Kameraden an der Front und bringen sie zu Sanitätspunkten. Eine eindrückliche RSI-Reportage zeigt, was die jungen Männer und Frauen der Rettungsmannschaften täglich im Kriegsgebiet erleben.

Ein geheimer Ort, wenige Kilometer von der Front entfernt. Das Team von RSI, dem Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz, bewegt sich sicherheitshalber nur in der Dämmerung. Ein von aussen unsichtbarer Tunnel in der Erde führt zu einem unterirdischen Bunker. Hier wartet ein Team von fünf Personen auf Anrufe, um verwundete Soldaten auf dem Schlachtfeld zu retten.

Die Evakuierung im Video – die Bilder können verstörend wirken

In dem niedrigen Raum, der zu klein ist, um aufrecht zu stehen, wird das Team von Schichtleiter «Sensei» begrüsst. Seinen Kampfnamen bekam er aufgrund seiner Erfahrung in der Ersten Hilfe. Der 27-Jährige studierte vor der russischen Invasion in der Ukraine Jura. «Ich hatte nie Interesse am Militär. Der Krieg ist eine beängstigende Erfahrung, aber ich konnte mir nicht vorstellen, nicht zu helfen», erzählt er gegenüber RSI.

Soldaten laden verletzte Person in Krankenwagen.
Legende: Soldat «Sensei» mit rotem Bart und Glatze nimmt den Verwundeten in Empfang, den seine Kameradinnen und Kameraden vom Schlachtfeld gerettet haben. RSI/Screenshot

Unter der Erde verliert man das Zeitgefühl, man ruht sich aus, wann immer man kann. Die Anrufe über Verletzte an der Front kommen meist in der Nacht. Das Rettungsteam muss schnell aufbrechen, in kurzen Zeitfenstern, in denen sie davon ausgehen, dass keine Kämpfe stattfinden.

Rettung vom Schlachtfeld

An der Front bewegen sie sich mit einem gepanzerten Fahrzeug. Gefährlich ist dann vor allem die Übergabe und die Fahrt in der Ambulanz, die ungepanzert bis zum Versorgungspunkt fahren muss. Unterwegs sind sie kilometerweit Drohnenangriffen ausgesetzt.

Mann in Uniform sitzt in gepanzertem Fahrzeug.
Legende: Ein Soldat mit einem verletzten Bein sitzt im Rettungspanzer neben seinem Kameraden, der zahlreiche Splitter abbekommen hat und dessen Lunge kollabiert ist. RSI

Im Stabilisierungspunkt der 33. Brigade arbeiten Chirurgen und Sanitäterinnen ununterbrochen. Ganze Einheiten, deren Positionen zerstört wurden, treffen hier ein. Ihre Gesichter sind schwarz von Sprengstoff und Erde, ihre Augen weit aufgerissen wie von Menschen, die aus einer anderen Welt kommen. Wenn sie noch stehen können, werden sie in einer Reihe aufgestellt, aus ihrer blut- und schlammverschmierten Kleidung befreit und nach Namen sowie Dienstnummer gefragt.

Einige sind jung, andere haben graue Haare – allen kann man die unendliche Müdigkeit im Gesicht ablesen. Manche waren wochen- oder gar monatelang ohne Ablösung in Stellung.

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Manchmal bleiben Verwundete tage- oder wochenlang auf dem Feld liegen. Tausende solcher Erste-Hilfe-Stationen sind entlang der 1700 km langen Front verteilt. Hier wird die Anzahl von Toten und Verwundeten, die der Krieg täglich fordert, greifbar.

Sie nennen die Drohnen «Raubvögel»

In einer einzigen Nacht werden mindestens 20 Soldaten auf den fünf verfügbaren Betten operiert. 90 Prozent der Verletzungen sind auf Drohnen zurückzuführen. Von beiden Seiten eingesetzt, haben sie den modernen Krieg verändert und sind der Schrecken der Soldaten. Sie nennen sie «Raubvögel». Wenn sie nicht sofort töten, verstreuen sie unzählige Splitter, die schwere Verletzungen, Verstümmelungen oder Tod durch Infektion verursachen können.

Die von der ukrainischen Regierung gemeldeten Verluste auf dem Feld belaufen sich auf 45'100 gefallene Soldaten und 390'000 Verwundete. Analysen basierend auf Geheimdienstquellen haben eine noch höhere Zahl von Toten (60'000-80'000) und insgesamt eine Million Opfer auf beiden Seiten geschätzt.

Schätzungen hin oder her – es sind Zahlen, die Menschen betreffen, beeindruckende Zahlen, das Ergebnis eines Abnutzungskrieges, der in sein viertes Jahr geht.

Heute Morgen, 24.02.2025, 06:00 Uhr

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