Auf den beliebtesten Partnervermittlungsseiten in der Westschweiz sind derzeit häufig Kleinanzeigen von Frauen zu finden, die angeben, sie stammten aus Südamerika. Einige von ihnen befinden sich in der totalen Illegalität. Ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis bieten sie kommerziellen Sex in Privatwohnungen oder Hotelzimmern an.
Recherchen des Westschweizer Radio und Fernsehens (RTS) zeigen: Die illegale Prostitution boomt. Das irritiert diejenigen, die sich an den gesetzlichen Rahmen halten. Und es macht den Behörden das Leben schwer.
Loïc Duc betreibt zwei Erotiksalons in der Westschweiz. Einen in Lausanne und den anderen in Bulle. In beiden Salons sind mehrere Prostituierte beschäftigt. Alles wird regelmässig von den zuständigen Behörden kontrolliert.
Seit fast zwei Jahren verzeichnet Loïc Duc einen Rückgang seiner Umsätze – um 50 Prozent. Als Hauptursache bezeichnet er die Angebote von südamerikanischen Frauen. «Sie sind nicht nur illegal, sondern unterbieten auch die Preise. Rund 150 Franken für ungeschützten Sex, also Sex ohne Kondom, ist nicht nur aus gesundheitlicher Sicht riskant, sondern auch ein unlauterer Wettbewerb für uns», sagt der Unternehmer.
Polizei weiss Bescheid
RTS hat versucht, mehrere dieser Frauen zu kontaktieren, ohne Erfolg. Mehrere kantonale Polizeistellen in der Westschweiz bestätigen aber das Phänomen. «Seit einigen Monaten stellen wir eine Zunahme der Ankunft von Sexarbeiterinnen aus Südamerika fest, vor allem aus Kolumbien», schreibt ein Sprecher der Freiburger Polizei.
Im Kanton Waadt ist die Situation ähnlich. «Soweit wir wissen, kommen sie als Touristinnen an», sagt Jean-François Lauener, Chef der Brigade für Migration und illegale Netzwerke der Waadtländer Kantonspolizei. «Sobald sie im Kanton angekommen sind, profitieren sie von einer Infrastruktur, die ihre Prostitutionsaktivitäten organisiert.»
Fälle von Menschenhandel
Es handelt sich also um kriminelle Netzwerke, zu denen auch Vermieter gehören. Nach Angaben der Genfer Polizei mieten oder untervermieten diese Personen freie Wohnungen auf dem Markt. Diese bieten sie dann Prostituierten zur Miete an, in der Regel auf Wochenbasis und zu Preisen von 100 bis 150 Franken pro Tag. Diese Personen sollen in der Schweiz wohnhaft sein. Mehrere von ihnen sind bei den Genfer und Waadtländer Gerichten angezeigt worden.
Dann gibt es noch die Empfangspersonen. Sie geben laut der Genfer Polizei Anzeigen auf Dating-Seiten auf, «organisieren Verabredungen und leiten die Kundschaft zu den Prostitutionsstätten». Sie befinden sich oft im Ausland, vor allem in Spanien, und verwalten alles über Instant Messaging.
Nach Angaben der Genfer Polizei sind die Mitglieder dieser Netze mit 40 bis 50 Prozent an den Einkünften der Sexarbeiterinnen beteiligt.
Gemäss mehreren Quellen beuten einige dieser Netze Frauen aus und zwingen sie zur Prostitution. Der Verein Astrée mit Sitz im Kanton Waadt unterstützt die Opfer. Seine Leiterin Angela Oriti bietet derzeit rund zehn Frauen aus Südamerika Schutz. «Einigen wurde in Europa eine legale Arbeit angeboten», sagt sie. «Erst hier merken sie, dass es sich um Prostitution handelt. Sie werden dazu gezwungen.»