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Neues Mobilmachungsgesetz Kriegsdienst oder Exil: Ukrainer in der Schweiz im Dilemma

Vor einem halben Jahr hat die Ukraine ein neues Mobilmachungsgesetz verabschiedet. Wie wirkt sich dieses auf das Leben ukrainischer Männer in der Schweiz aus?

Sollen im Ausland lebende Ukrainer zurückkehren, um an vorderster Front zu kämpfen? Für den 36-jährigen Maksym* und den 50-jährigen Dmytro* sowie Tausende andere ukrainische Männer hat diese Frage seit Mai 2024, als die ukrainischen Behörden den Druck auf im Ausland lebende Bürger erhöhten, eine neue Dringlichkeit erhalten.

Alle ukrainischen Männer zwischen 18 und 60 Jahren müssen sich gemäss dem neuen Mobilisierungsgesetz für den Militärdienst registrieren. Unabhängig davon, wie lange sie vor dem Krieg in der Schweiz gelebt haben oder ob sie die Schweizer Staatsbürgerschaft erworben haben.

Kriegsdienst leisten oder im Exil bleiben?

Männer, die von dem neuen Gesetz betroffen sind, müssen ihre Daten innerhalb von 60 Tagen aktualisieren. Für diejenigen, die sich im Ausland befinden, kann dies über eine App erfolgen. «Wenn du dich nicht an die Vorschriften hältst, wirst du mit 17’000 Hrywnja gebüsst. Das sind etwa 356 Schweizer Franken», sagt Maksym.

«Die Behörden werden dann nach deinen persönlichen Daten suchen und können einen Einberufungsbescheid an deine letzte registrierte Adresse senden, die als zugestellt gilt, unabhängig davon, ob du dir dessen bewusst bist – oder ob du im Ausland oder noch in der Ukraine lebst. Wenn du nach Erhalt der Vorladung nicht erscheinst, folgen weitere Geldstrafen, und schliesslich führt dies zu einer strafrechtlichen Haftung.»

Die ukrainische Regierung tut alles, um Ukrainern im Ausland das Leben so unangenehm wie möglich zu machen.
Autor: Maksym Im Ausland lebender Ukrainer

Gleichzeitig suchen die Vollzugsbehörden nach Vermögenswerten, die beschlagnahmt werden können, sagt er. «Wenn man im Ausland ist, hat man zwei Möglichkeiten: entweder nichts zu tun und abzuwarten, was passiert, oder sich zu fügen, wenn man glaubt, dass man eines Tages zurückkehren könnte.»

Er berichtet, dass drei seiner Bekannten bereits die konsularischen Dienstleistungen in der Schweiz verweigert worden seien. Es ist unmöglich, einen ukrainischen Pass zu erneuern, ohne die militärische Registrierung zu aktualisieren. «Unsere Regierung tut alles, um ukrainischen Männern, die sich nicht zum Militärdienst gemeldet haben, das Leben im Ausland so unangenehm wie möglich zu machen», sagt Maksym.

Ein moralisches Dilemma

Der Entscheid, im Schatten des Krieges zu bleiben, um seine Familie zu schützen, oder ins Licht zu treten, um sein Land zu verteidigen, ist schwierig. «Wir haben die Ukraine 2009 verlassen», sagt der 50-jährige Dmytro. «Unser Sohn bekommt hier bald seinen Schweizer Pass, und wir stehen kurz davor, selbst die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Mental hätten sie ihre ukrainische Staatsbürgerschaft bereits aufgegeben. »Unser Leben ist hier und wir fühlen uns nicht mehr als Ukrainer», so der 50-Jährige weiter.

Für das Schlimmste im Krieg hält der Ukrainer unmotivierte Soldaten. Er ist überzeugt: «Die Ukraine hält stand, weil sie von Menschen verteidigt wird, die hoch motiviert sind. Unmotivierte Menschen in den Kampf zu zwingen, ist eine tickende Zeitbombe. Denn man kann aus ihnen keine guten Soldaten machen, und es wird nur noch schlimmer.»

* Die Namen der Personen wurden geändert und sind der Redaktion bekannt.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Swissinfo und wurde von der «dialog»-Redaktion gekürzt. Die Originalversion können Sie auf Swissinfo lesen.

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Krieg in der Ukraine

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Echo der Zeit, 23.10.2024, 18:00 Uhr;stal

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