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Jagd auf die Menschen in Cherson
Aus Echo der Zeit vom 23.10.2024. Bild: Imago
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 49 Sekunden.

Krieg in der Ukraine Russen machen Jagd auf Zivilisten in Cherson

Als die ukrainischen Truppen die südukrainische Stadt Cherson vor zwei Jahren befreiten und die Russen über den Fluss Dnipro zurücktrieben, war der Jubel gross. Doch die ersehnte Normalität ist nicht zurückgekehrt, im Gegenteil.

Das Video beginnt harmlos und ist mit fröhlicher Musik unterlegt. Von der Kamera einer hoch fliegenden Drohne aufgenommen, zeigt es zwei Fussgänger, die gemütlich auf einer Strasse unterwegs sind.

Dann: Zoom, der Abwurf eines Sprengsatzes, einer der beiden Fussgänger geht zu Boden und windet sich vor Schmerzen. Die fröhliche Musik spielt weiter.

Drohnensicht auf Gebäudefassade.
Legende: Russische Drohnenpiloten greifen in der Stadt und Region von Cherson wahllos zivile Ziele an – und veröffentlichen die Videos davon in Sozialen Medien. Im Bild eine Drohne mit Granate im Anflug auf eine Wohnung in Cherson. @kava220/X

Russen sind stolz auf ihre Verbrechen

Solche Videos publizieren russische Drohnenpiloten regelmässig auf Social Media. Sie verstecken ihre Verbrechen nicht, im Gegenteil, sie sind stolz darauf. Die Zivilbevölkerung von Cherson ist in ihren Augen ein legitimes Ziel, sie brüsten sich damit, auf alles zu zielen, was sich bewegt.

Es ist eine regelrechte Jagd auf Menschen, mit Billigdrohnen, die mit Sprengladungen bestückt sind und vom anderen Ufer des Flusses Dnipro gestartet werden. Dieses wird nach wie vor von den Russen kontrolliert.

Es werden Spaziergänger getroffen, Velofahrer, Autofahrer. Menschen auf dem Weg zur Arbeit, Menschen beim Einkaufen, sogar Menschen in ihren Häusern.
Autor: Oleksandr Prokudin Leiter der Militärverwaltung der Region Cherson

Weil die Drohnen so klein sind, weil so viele von ihnen losgeschickt werden und weil sie besondere Frequenzen benützen, kann die ukrainische Flugabwehr nur wenig dagegen tun.

Jagd auf Zivilisten in Cherson

Jene Einwohnerinnen und Einwohner von Cherson, die in der Stadt ausgeharrt haben, mussten sich nach der Befreiung im November 2022 zuerst an den ständigen Artilleriebeschuss gewöhnen, dann an die Bomben aus der Luft.

Und nun sind diese Drohnen dazu gekommen – sie sind besonders furchterregend, denn sie verfolgen die Personen, die sie ins Visier genommen haben, und es gibt nur wenig Möglichkeiten, sich zu schützen.

Oleksandr Prokudin, der Leiter der Militärverwaltung des Gebietes Cherson, sagte im August im ukrainischen Fernsehen: «Die Drohnen sind ein grosses Elend, jeder ist ein potenzielles Ziel. Es werden Spaziergänger getroffen, Velofahrer, Autofahrer. Menschen auf dem Weg zur Arbeit, Menschen beim Einkaufen, sogar Menschen in ihren Häusern.»

Es wird immer schlimmer

Seither ist es noch schlimmer geworden. Die Zahl der Drohnenattacken auf Zivilistinnen und Zivilisten in Cherson hat ab Spätsommer dramatisch zugenommen.

Allein im September hätten sie mehr als 3000 Drohnenattacken auf Zivilpersonen gezählt, bestätigt Oleksandr Tolokonnikov, Sprecher der Militärverwaltung. Besonders betroffen seien die Stadtteile am Flussufer. Auch habe es viele Angriffe auf den öffentlichen Verkehr gegeben, auf Busse etwa.

Ziel der Russen ist Vernichtung der Bevölkerung

Im Oktober zeigt sich dasselbe Bild: Es gibt regelmässig Tote und Verletzte, in der Stadt und in der Region Cherson. Manche geben auf und verlassen die Stadt. Diese ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Bevölkerungszahl ist von gegen 280'000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf aktuell noch etwa 60'000 gesunken.

Es ist genau das, was die russischen Angreifer erreichen wollen: Nachdem sie die Stadt nicht halten konnten, zerstören und entvölkern sie sie nach und nach. Vom ursprünglichen Ziel, die Ukraine zu erobern, sind sie – wie das Beispiel Cherson zeigt – zur offenen Vernichtung der Zivilbevölkerung übergegangen.

Echo der Zeit, 23.10.2024, 18:00 Uhr

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