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Im Zentrum von Cherson wehen wieder ukrainische Flaggen
Aus Echo der Zeit vom 11.11.2022. Bild: Keystone/DPA/Monika Skolimowska
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Rückschlag für die Russen «Cherson ist befreit – daran ändert sich nichts mehr»

Der russische Abzug aus der ukrainischen Stadt Cherson ist offenbar Tatsache. Der Kreml meldet, die Truppen hätten sich vollständig aus der Bezirkshauptstadt im Süden der Ukraine zurückgezogen, die BBC ihrerseits, es wehe im Zentrum der Stadt die ukrainische Flagge. Auch für den Militärexperten Frank Sauer ist klar: Cherson ist befreit.

Frank Sauer

Politikwissenschaftler

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Sauer ist Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München.

SRF News: Ist Cherson wieder ukrainischer Hand?

Frank Sauer: Cherson ist befreit, daran wird sich vorerst nichts mehr ändern. Der Blick richtet sich jetzt schon wieder auf andere Dinge – wie den Kachowka-Staudamm am Dnipro oberhalb der Stadt. Die Situation ist allerdings sehr dynamisch, alle Aussagen haben eine sehr kurze Halbwertszeit.

Warum geht der russische Rückzug viel schneller voran, als auch Sie erwartet hatten?

Es gibt das Gerücht, dass es einen Deal mit der ukrainischen Armee für freies Geleit der Russen gab – sie also unbedrängt abziehen konnten. In der Tat gab es sehr wenig Beschuss durch die Ukrainer beim Abzug der Russen. Allerdings ist dieser seit Tagen oder sogar Wochen im Gang.

Es gibt also keine Anzeichen dafür, dass der Abzug eine Finte der Russen sein könnte?

Nein – auf jeden Fall keine grossangelegte Finte. Natürlich gibt es Hinterlassenschaften der Russen, wie verminte Zonen oder Gebäude sowie Sprengfallen. Das kennen wir aus anderen befreiten Gebieten.

Von den Russen verminte Gebäude sowie Sprengfallen kennen wir aus anderen befreiten Gebieten.

Ausserdem steht die Möglichkeit im Raum, dass die Russen am Staudamm Bomben angebracht haben könnten, um ihn zu sprengen. Die Folgen einer solchen Tat wären erheblich, nicht nur Cherson würde dann überflutet.

Wie wichtig ist die Rückeroberung Chersons für die Ukraine?

Die Russen haben ihren Brückenkopf westlich des Dnipro verloren. Aus russischer Perspektive hatte er die Option offen gelassen, weiter in Richtung Westen und Odessa zu marschieren. Für die Ukraine ist die Rückeroberung also militärisch sehr wichtig.

Putin hat die Schlacht um Kiew verloren, er hat Charkiw verloren und jetzt auch Cherson.

Ausserdem ist sie politisch und psychologisch immens wichtig: Für die Ukraine ist sie eine weitere Stärkung der ohnehin hohen Kampfmoral, für die Russen ist es ein weiterer Rückschlag. Putin hat die Schlacht um Kiew verloren, er hat Charkiw verloren und jetzt auch Cherson.

Video
Russland zieht Truppen aus Cherson zurück
Aus Tagesschau vom 11.11.2022.
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Die Russen haben sich auf die Ostseite des Dnipro zurückgezogen – bleibt das jetzt der Status quo über den Winter?

Das ist sehr schwer zu sagen. Ein wesentlicher Faktor ist etwa das Wetter. Den Ukrainern fehlen Kettenfahrzeuge, die bei Schlamm besser manövrieren können als Radfahrzeuge. Wenn also der Boden friert, würden sich für die Ukrainer allenfalls neue Möglichkeiten eröffnen.

Es könnte sein, dass sich die Geschehnisse im Winter etwas verlangsamen.

Eine Rolle spielt auch, wie sich die Russen auf der Westseite des Dnipro organisieren. Satellitenbilder zeigen, dass sie dort Schützengräben ausheben und versuchen, sich einzumauern. Es könnte also sein, dass sich die Geschehnisse im Winter etwas verlangsamen.

Menschen und Autos.
Legende: Grosse Freude bei jenen Menschen, die sich noch in Cherson befinden – die Russen hatten in den vergangenen Wochen bekanntlich bis zu 100'000 Zivilisten aus der Stadt «evakuiert». Reuters

Wie wichtig ist es für die Russen, die jetzigen Rückzugsstellungen zu halten?

Sehr wichtig – denn sonst könnten die Ukrainer in Richtung Krim weiter vorrücken. Es gibt auch bereits Satellitenaufnahmen, die zeigen, dass die Russen auch auf der nordwestlichen Krim Schützengräben erstellen. Offenbar stellt man sich also schon darauf ein, dass man möglicherweise eines Tages die Krim gegen eine Rückeroberung durch die Ukraine verteidigen muss.

Die Ukrainer haben einmal mehr bewiesen, dass sie smart, hart und erfolgreich Territorium befreien können.

Klar ist: Wir haben die Russen seit Beginn der Invasion Ende Februar stets überschätzt und die Ukrainer unterschätzt. Die Rückeroberung Chersons zeigt nun einmal mehr, dass die Ukrainer smart, hart und erfolgreich Territorium befreien können.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 11.11.2022, 18:00 Uhr ; 

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