Es mehren sich Spekulationen, dass nordkoreanische Soldaten in Russland militärisch ausgebildet werden – für den Einsatz im Ukrainekrieg. Wie plausibel ist diese Unterstützung? Der Militäranalyst Hendrik Remmel teilt seine Einschätzung dazu. Und er erklärt, wieso diese Diskussion nicht nur militärisch, sondern auch politisch relevant ist.
SRF News: Wie plausibel ist es, dass nordkoreanische Soldaten Russland im Ukrainekrieg unterstützen?
Hendrik Remmel: Die Hinweise verdichten sich, dass nordkoreanische Soldaten auf russischem Gebiet eine Ausbildung erhalten. Der südkoreanische und der ukrainische Geheimdienst haben öffentlich gemacht, dass es sehr klare Indikatoren dafür gibt. Diese Veröffentlichung deutet auf absolut belastbare Informationen hin. Ich halte es für plausibel, dass sich nordkoreanische Soldaten in Russland vorbereiten oder trainieren.
Russland und Nordkorea haben die Berichte zurückgewiesen. Was würde Russland ein Einsatz nordkoreanischer Soldaten denn bringen?
Das ist davon abhängig, wie viele Soldaten beteiligt sind, welche Fähigkeiten sie mitbringen und welche Rolle der russische Generalstab für diese Kräfte vorgesehen hat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit befinden sich schon 1500 nordkoreanische Soldaten in Russland. Der südkoreanische Nachrichtendienst spricht von bis zu 10’000 weiteren auf der Reise nach Russland.
Kriege sind komplexer als eine einzelne Ursache-Wirkung-Kausalität.
Im Vergleich zu rund einer halben Million russischer Soldaten an der Front würden sich Nordkoreas Soldaten im operativen Gesamtkonstrukt nicht nachhaltig auswirken. Wenn es sich um gut ausgebildete Spezialkräfte handelt, könnten sie taktische und operative Effekte erzielen, wie Sabotage.
Wie könnte Russland die Soldaten einsetzen?
Militärisch würde es wohl darum gehen, russische Truppen im Hinterland, die derzeit Sicherungsaufgaben erfüllen, zu entlasten. Diese freigestellten Einheiten könnten dann für komplexere Offensivoperationen eingesetzt werden. Reguläre nordkoreanische Soldaten in eine russische Division oder ein russisches Regiment zu integrieren, beispielsweise in eine komplexe Offensivoperation wie aktuell im Donbass, halte ich aus militärischer Sicht für wenig gewinnbringend. Das heisst nicht, dass es ausgeschlossen ist.
Können sich nordkoreanische Soldaten in das russische Militär einfügen?
Eine naheliegende Herausforderung ist die Sprachbarriere. Das macht es extrem schwierig, sie zu integrieren. Bei zeitlich und räumlich definierten Sicherungsaufgaben ist das eher möglich als bei Offensivoperationen. Die Handhabung von militärischem Gerät ist grundsätzlich unkompliziert, da Nordkorea vorwiegend sowjetische und russische Ausrüstung verwendet.
Die Entwicklung ist politisch brisant.
Was bedeutet diese mögliche Zusammenarbeit für den Verlauf des Krieges?
Kriege sind komplexer als eine einzelne Ursache-Wirkung-Kausalität. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass nordkoreanische Soldaten den Kriegsverlauf massgeblich beeinflussen werden. Es gibt zu viele Unbekannte, wie die genaue Zahl der Soldaten, ihre Einsatzgebiete und ihre Fähigkeiten. Politisch ist diese Entwicklung allerdings brisant. Sie zeigt, dass sich autokratische Staaten wie Russland, Nordkorea oder Iran zunehmend in Zweckgemeinschaften verbünden. Wir bewegen uns in einen Systemkonflikt hinein, in dem sich Autokratien zusammenschliessen, um die in diesem Fall europäische Sicherheitsarchitektur zu unterminieren.
Das Gespräch führte Rachel Beroggi.