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Staatsbesuch Nordkorea empfängt Wladimir Putin – warum?

Wladimir Putin ist in Nordkorea für einen zweitägigen Staatsbesuch. Er trifft Machthaber Kim Jong-un in der Hauptstadt Pjöngjang. Es ist Putins erste Reise nach Nordkorea seit über 20 Jahren. Russische Medien berichten, dass Putin und Kim möglicherweise ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnen. Was der Besuch Putins für internationale Folgen haben könnte, weiss Martin Fritz. Er ist freier Journalist in Tokio und Nordkorea-Kenner.

Martin Fritz

Freier Journalist

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Der Journalist Martin Fritz arbeitete als Radio-Korrespondent für die ARD in Tokio. Als freier Journalist berichtet er nun neben Japan auch über Nord- und Südkorea. Vorher war er fünf Jahre lang Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi.

SRF News: Worum geht es genau bei diesem Besuch?

Martin Fritz: Die nordkoreanische Parteizeitung hat einen Brief von Wladimir Putin veröffentlicht. Darin spricht er davon, alternative Handels- und Abrechnungswege zu entwickeln. Im Klartext also Wege für Nordkorea, die UNO-Sanktionen zu umgehen. Die nordkoreanische Seite schreibt, dass die militärische Kooperation intensiviert wird. Vom Inhalt dieser Gespräche werden wir wohl wenig erfahren. Bisher haben beide Länder immer dementiert, dass es Waffenlieferungen von Nordkorea an Russland gibt.

Nordkorea soll offenbar die Lücke bei den Artilleriegranaten schliessen.

Welche Waffen hat Nordkorea zu bieten?

Nach Angaben aus Südkorea und den USA hat Nordkorea bereits fünf Millionen Artilleriegranaten und eine unbekannte Zahl an Kurzstreckenraketen an Russland geliefert. Nordkoreanische Staatsmedien haben im Mai berichtet, wie Kim Jong-un mehrere Waffenfabriken besuchte und das Hochfahren der Produktion lobte. Schätzungen zufolge fehlen Russland täglich etwa 50'000 Artilleriegranaten im Krieg gegen die Ukraine. Diese Lücke soll Nordkorea offenbar schliessen.

Wie wichtig ist dieser Besuch Putins in Nordkorea?

Ein bekannter Nordkorea-Experte in den USA, Victor Cha, hat die engere Zusammenarbeit von Russland und Nordkorea als die grösste Gefahr für die nationale Sicherheit der USA seit dem Koreakrieg bezeichnet. Je stärker Nordkorea militärisch wird, desto mehr gerät die Abschreckung auf der koreanischen Halbinsel aus dem Gleichgewicht. Dort wächst also die Gefahr einer Konfrontation zwischen den USA und Nordkorea. Und in einem solchen Konflikt wären dann auch China und Russland involviert.                 

Russland brauchte Nordkorea wegen der Waffen – Nordkorea braucht Russland, um die Sanktionen der UNO zu umgehen.

Russland und Nordkorea pflegen schon länger Beziehungen. Hat der Ukrainekrieg diese Beziehungen noch intensiviert?

Ja. Russland brauchte Nordkorea wegen der Waffen – Nordkorea braucht Russland, um die Sanktionen der UNO zu umgehen. Vor neun Monaten besuchte Kim den Osten von Russland. Da schaute er sich das neue russische Weltraumzentrum und moderne Waffenfabriken an. Jetzt also der Gegenbesuch.

Vor allem ein Atom-U-Boot hält man in Pjöngjang für sehr wichtig.

Was genau erwartet denn Nordkorea von Russland?

Da geht es vor allem um technologische Hilfen, um die Waffensysteme zu modernisieren, etwa moderne Überwachungstechnik für Satelliten, für Atom-U-Boote und für Interkontinentalraketen. Vor allem ein Atom-U-Boot hält man in Pjöngjang für sehr wichtig. Damit könnte man an die Westküste der USA heranfahren und diese von dort aus bedrohen. Und natürlich soll Russland dabei helfen, die Auswirkungen der Sanktionen zu lindern.

Wie stark leidet denn Nordkorea unter diesen Sanktionen?

Das Ausmass ist sehr gross. Es heisst, Russland habe bereits tausende Container voller Nahrungsmittel an Pjöngjang geliefert und nach US-Angaben liefert Russland auch Diesel über die erlaubten UNO-Quoten hinaus. Zuvor hatte Russland auch schon im UNO-Sicherheitsrat ein Gremium blockiert, das diese Sanktionen überwachen soll. Es wird auch spekuliert, dass künftig Nordkoreaner in Russland arbeiten und dort Devisen verdienen. Da ist viel drin für Nordkorea.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

Krieg in der Ukraine

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SRF 4 News, 18.06.2024, 8:20 Uhr ; 

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