Die Paketbomben, die in den letzten Monaten in Genf zwei Personen verletzt haben, waren nicht das Werk eines Aussenseiters, der von der Gesellschaft isoliert war. Im Gegenteil: Der Hauptverdächtige, der letzten Monat verhaftet wurde, war ein Mann, der ausserordentlich gut mit dem Sicherheitsapparat des Staates vernetzt war. Das zeigen Recherchen des Westschweizer Radios und Fernsehens (RTS).
Der 61-jährige Schweizer war als Kriegsfotograf und Kung-Fu-Lehrer tätig. Er hatte ein umfangreiches Netzwerk in Sicherheitskreisen aufgebaut, verkehrte mit Polizisten, hatte Kontakte zum Militär. Und er behauptet, eine Verbindung zum Nachrichtendienst zu haben. Alles Institutionen, die eigentlich für die Sicherheit des Landes zuständig sind.
Original-Beitrag von RTS zum Thema (mit dt. Untertiteln)
RTS konnte mit etwa 15 Personen sprechen, die mit dem als cholerisch geltenden Mann zu tun hatten. Alle bestätigen seine sehr engen Beziehungen zu diesen Kreisen. Nach dem Mann wurde in Genf monatelang gesucht. Er hatte die Paketbomben abgeschickt, ebenso Erpresserbriefe, die unter anderem an die Uhrenmanufaktur Patek Philippe gerichtet waren. Im März wurde er festgenommen und hat die Taten gestanden.
Leidenschaft für das Schiessen
Der Verdächtige hatte zahlreiche Bekanntschaften innerhalb der Polizei. Mit diesen teilte er insbesondere die Leidenschaft für das Schiessen. Er besass eine beträchtliche Anzahl von Schusswaffen, darunter auch Langwaffen. Sie wurden alle bei der Durchsuchung seines Dojos beschlagnahmt.
Der Bombenleger besuchte regelmässig Schiessplätze und Waffenplätze in der Westschweiz. Er ging gerne mit befreundeten Polizisten dorthin.
«Wenn er Informationen brauchte, fand er immer einen Weg, sie zu bekommen. Er hatte viele Kontakte», bestätigt ein alter Bekannter. Vor einigen Jahren lud die Genfer Polizeidirektion ihn sogar ein, über seine Erfahrungen als Kriegsreporter zu berichten. Dies geschah in der Kaserne Les Vernets anlässlich des Jahresrapports der Kader der Kantonspolizei. Diese teilt auf Anfrage mit, sie äussere sich nicht zu Einzelfällen.
Artikel für Militärzeitschrift
Der Urheber der Bombenanschläge stand auch in engem Kontakt mit Mitgliedern der Schweizer Armee. Er arbeitete beispielsweise mit der «Schweizerischen Militärzeitschrift» zusammen, dem Organ der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. Er hat dort mehrere Artikel verfasst, wie der Chefredaktor Alexandre Vautravers bestätigt, und mehrere Titelseiten gestaltet. Vautravers präzisiert gegenüber RTS, dass der Verdächtige unter anderem eine Reihe von Reportagen mit Fotografien von seinen Aufenthalten in Syrien oder der Ukraine verfasst hat.
Die Kriegsexpertise des Genfer Bombenlegers hat offenbar auch das Interesse der Geheimdienste geweckt. Der Mann behauptet, eine Verbindung zu ihnen zu haben. Die verschiedenen von RTS befragten Quellen haben fast alle die gleiche Legende über die Person gehört: Der Mann sei seit Jahren ein regelmässiger Informant des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). Auf Anfrage äussert sich der NDB nicht zu diesen Angaben.