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Pentobarbital Sterbehilfe: beunruhigende Unklarheit über tödliche Substanz

Ein Whistleblower enthüllt die Hintergründe der Westschweizer Sterbehilfe und weist auf eine Sicherheitslücke bei der Verwaltung von Pentobarbital hin.

Pentobarbital ist ein tödliches Medikament, das einer strengen Kontrolle unterliegt – eigentlich.

Gemäss den Richtlinien der kantonalen Apotheker nämlich sollten die Dosen unter Verschluss aufbewahrt und im Falle einer Nichtverwendung an die Apotheke zurückgegeben werden. Nun aber zeigt eine Untersuchung des Westschweizer Fernsehen RTS, dass dieses Vorgehen in der Westschweiz vor allem auf Vertrauen basiert.

Was ist Pentobarbital?

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Ein kleines Döschen bringt den Tod: 15 Gramm Natrium-Pentobarbital (NaP) sorgen in der Regel für einen komatösen Schlaf, für Atem- und schliesslich Herzstillstand. Das Mittel gibt es nur gegen Rezept.

Denn sobald die Dosen auf Rezept abgegeben werden, hinterlassen sie meistens keine weiteren Spuren. So haben Apotheken keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob sie tatsächlich für die jeweiligen Personen verwendet wurden.

«Ich gebe das Produkt ab, aber danach überprüfe ich nicht die Todesanzeigen, um sicherzustellen, dass die Person wirklich verstorben ist», berichtet eine Apothekerin anonym.

Fläschchen «wie nicht registrierte Waffen»

Ein Whistleblower berichtet gegenüber RTS, dass «Fläschchen in der freien Wildbahn unterwegs sind, ähnlich wie nicht registrierte Waffen». Auf Nachfrage konnte keine kantonale Apotheke genaue Zahlen zur Verteilung oder möglichen Vernichtung dieser Dosen vorlegen.

Die rund zehn Westschweizer Apotheken, die die Organisation Exit beliefern, verweigerten eine Stellungnahme mit Verweis auf die sensible und vertrauliche Natur der Daten.

Und auch die Praktiken der kantonalen Polizeibehörden sind uneinheitlich. Laut der Berner Kantonspolizei muss «verbleibendes Pentobarbital oder eine eventuelle Reservemenge von den Sterbehilfeorganisationen selbst entsorgt werden».

Im Kanton Neuenburg hingegen liegt diese Verantwortung laut Polizei bei den Ärzten. Tatsächlich hat nur der Kanton Freiburg konkrete Zahlen übermittelt und angegeben, dass in 18 Jahren «zwei Dosen zerstört wurden». Eine auffallend geringe Menge.

Pentobarbital-Handel im Darknet

Die Organisation «Exit A.D.M.D Suisse Romande» verweigerte auf Anfrage von RTS eine Stellungnahme mit Verweis auf ein laufendes Gerichtsverfahren. In einer Nachricht, die RTS vorliegt, bat die Genfer Sektion von Exit ihre Partnerapotheken in der Westschweiz, keine Fragen von Journalisten zu beantworten. Doch wo landen die Dosen?

Brauchen Sie Hilfe?

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Es gibt verschiedene Stellen, an die sich Menschen in suizidalen Krisensituationen wenden können. Rund um die Uhr, vertraulich und kostenlos.

In Frankreich beispielsweise ist der Kauf von Pentobarbital illegal. Dennoch ist die Substanz begehrt, wie Claude Hury, Mitbegründerin der Organisation «Ultime Liberté», bestätigt. Diese wird derzeit von der französischen Justiz verfolgt, weil sie ihren Mitgliedern geholfen haben soll, tödliche Dosen online zu beschaffen.

Auf Anfrage von RTS dementierte Hury die Existenz einer aktuellen Beschaffungskette zwischen der Schweiz und Frankreich, bestätigte jedoch, dass es diese in der Vergangenheit gegeben habe.

Recherchen im Darknet brachten zahlreiche Angebote für Pentobarbital ans Licht. Die Verkäufer bestätigten gegenüber RTS, dass die Dosen aus der Schweiz stammen. Diese Aussagen sind nicht überprüfbar, doch mehrere Anbieter nutzen Fotos von Schweizer Fläschchen. Der durchschnittliche Preis liegt bei etwa 7500 Franken.

Die Verkäufer erklärten, dass sie die Substanz in Verpackungen für Augentropfen oder Hustensaft verschicken, um die wahre Natur des Inhalts zu verschleiern.

RTS Vraiment, 10.2.25, 16 Uhr

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