Erstmals hat sich vergangenen September in der Schweiz eine Person mit der Suizidkapsel Sarco das Leben genommen. Mehrere Strafverfahren sind noch hängig, um zu klären, ob der Einsatz rechtlich zulässig ist. David Swanton, Pressesprecher von Exit International Australien, der Sterbehilfe-Organisation hinter Sarco, verteidigt die umstrittene Kapsel und erklärt, wie die Sterbehilfe funktioniert und welche Überlegungen dahinterstecken.
SRF News: Sarco ist zum ersten Mal in der Schweiz zum Einsatz gekommen – was muss ich tun, wenn ich mit der Suizidkapsel sterben will?
David Swanton: Also wenn es dann wirklich anläuft, müssten Sie die für Sarco verantwortliche Organisation «The Last Resort» kontaktieren. Sarco ist ein einfacher, drogenfreier und «Doktor-freier» Weg, um zu sterben, wenn jemand unerträglich leidet.
«Doktor-frei» – was meinen Sie damit?
Sie brauchen keinen Arzt, der Ihnen ein Medikament zur Verfügung stellt. Sie müssen allerdings – und das ist ethisch richtig, die Schweiz hat auch diese Rechtssprechung – urteilsfähig sein, wenn Sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen.
Jeder Mensch sollte freiwillige Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen, wenn er unerträglich leidet.
Das heisst, die einzige Bedingung ist, dass ich urteilsfähig bin? Ich muss also nicht krank sein, um Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können?
Das ist das ethische Ziel. Ja – jede Frau hat das Recht auf eine Abtreibung, jede Person darf ihren Sexualpartner wählen und jeder Mensch sollte freiwillige Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen, wenn er unerträglich leidet. Allerdings sollte sie nicht erhältlich sein für junge Menschen, die sterben wollen, weil sie durch eine Prüfung gefallen sind oder einen Job verloren haben. Sie müssen über 50 sein, irgendein Leiden haben und Sie brauchen auch einen Psychiater, der Ihre Urteilsfähigkeit bescheinigt.
Später wird Sarco vielleicht für mehr Leute zugänglich sein. Doch das wird noch eine Weile dauern, denn im Moment haben wir ja rechtliche Probleme in der Schweiz. Diese müssen wir angehen, bevor wir einen weiteren Schritt machen.
Warum sollten Menschen in Spitälern, Altersheimen und Palliativpflege leiden, wenn sie dies gar nicht wollen?
Sie und Sarco-Erfinder Philipp Nitschke kennen sich seit bald 30 Jahren. Was treibt Sie an?
David Swanton: Der Gedanke, dass jemand mir sagt, wie ich mein Leben leben soll, war mir schon immer zuwider. Ich glaube, wir brauchen einen «easy way out». Warum sollten Menschen in Spitälern, Altersheimen und Palliativpflege leiden, all ihr Geld und das der Regierungen ausgeben, damit alles getan wird, um sie am Leben zu erhalten – wenn sie dies gar nicht wollen? Wir sollten das Geld für Leute ausgeben, die leben wollen und nicht für solche, die lieber sterben und nicht leiden wollen.
Wie sieht denn die Zukunft aus, könnte ich die Kapsel einfach im Internet bestellen?
In ferner Zukunft könnte man theoretisch den Sarco mit einer Künstlichen Intelligenz ausstatten, die ihre Zurechnungsfähigkeit prüft. Da es dieses Gerät so noch nicht gibt, brauchen wir eben noch einen Arzt oder einen Psychiater, um dies zu prüfen. Und wir müssen die rechtlichen Aspekte prüfen. Wir haben vor dem Einsatz in der Schweiz ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das uns glauben liess, dass es legal ist, was wir tun.
Warum sollte sich ein Arzt über meine Entscheidung hinwegsetzen und mir sagen – sorry, du bist nicht krank genug?
In den meisten Ländern ist es so, dass Sie eine tödliche Krankheit haben müssen, um freiwillig Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können. Warum sollte sich ein Arzt über meine Entscheidung hinwegsetzen und mir sagen – sorry, du bist nicht krank genug? Das ist, was der Rest der Welt tut. Die Schweiz hat diese Bedingung nicht, und darum wurde Sarco hier zuerst eingesetzt.
Das Gespräch führte Anna Gossenreiter.