Offizielle Zahlen gibt es zwar keine. Aber gemäss den Pfarreien in der Romandie praktizieren immer mehr junge Menschen die Fastenzeit. Das könnte eine Folge davon sein, dass sich die Kirche darum bemüht, den jüngeren Teil der Bevölkerung anzuziehen – durch verstärkte Präsenz auf den Plattformen der 15- bis 30-Jährigen.
Orignalbeitrag von RTS zum Thema (mit dt. Untertiteln)
«Wir möchten die Jugendlichen dort erreichen, wo sie sind», erklärt Alain Ulrich, Pastoralassistent bei der Jugendseelsorge der katholischen Kirche im Kanton Waadt, gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). «Wir wissen seit mehreren Jahren, dass junge Menschen soziale Medien nutzen, um sich zu informieren. Und erstaunlicherweise interessieren sie sich sogar für religiöse und spirituelle Fragen.»
Zeit des Verzichts
In der katholischen Religion stellt die Fastenzeit die vierzigtägige Fastenperiode vor dem Osterfest dar. Die Gläubigen sind eingeladen, auf bestimmte Lebensmittel oder Gewohnheiten zu verzichten, an denen sie hängen.
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Für den 10-jährigen Lenny geht es um seinen Zuckerkonsum. Es war sein eigener Entscheid, die Fastenzeit einzuhalten. Am 5. März haben sich seine Zwischenverpflegungen stark verändert: keine zuckerhaltigen Snacks mehr, stattdessen viel Obst und selbstgemachte Polenta-Chips.
Bevor er isst, schaut Lenny daher auf die Zutatenliste auf der Rückseite der Packungen. «Wenn zu viel Zucker drin ist, kann ich es nicht essen, weil ich faste», erklärt er.
Selbstüberwindung
Lenny stammt aus einer katholischen Familie, aber seine Eltern praktizieren den Glauben kaum. Als er sah, wie Mitschüler Ramadan machten, begann er sich zu hinterfragen und entschied sich für die Fastenzeit. Ist die Einhaltung der Fastenzeit durch junge Menschen als Modeerscheinung zu sehen oder handelt es sich um einen echten Glaubensschub?
Laut der Religionssoziologin Isabelle Jonveaux kann dieses Interesse an der Fastenzeit auf verschiedene Arten interpretiert werden. «Es gibt viele Ansätze, um zu sich selbst zu finden, wieder eine gesunde Lebensweise anzunehmen, das Tempo zu verlangsamen und sich möglicherweise auch selbst zu übertreffen», erklärt sie. «Es gibt dabei einen Leistungsaspekt, der mehr auf sich selbst ausgerichtet ist als auf Gott.»
Ob es sich nun um ein Ritual zur Intensivierung des Glaubens oder um eine einfache Erfahrung des Verzichts handelt, die Fastenzeit endet am 17. April, am Vorabend des Karfreitags.