Schwere Unwetter haben im Südosten Spaniens verheerende Schäden angerichtet. Der Klimatologe Claudio Cassardo erklärt, wie die extreme Heftigkeit bestimmter Wetterphänomene mit dem Klimawandel und der fortschreitenden Erwärmung des Mittelmeers zusammenhängt.
SRF News: Die sintflutartigen Regenfälle in der Region Valencia werden auf einen sogenannten Kältetropfen zurückgeführt. Erklären Sie uns, was dieses Phänomen ist.
Claudio Cassardo: Es handelt sich um eine Situation, in der kalte Luft in grosser Höhe um einen Tiefdruckwirbel kreist. Das heisst, es ist eine Art Mini-Tiefdruckgebiet. Die Höhenkaltluft befindet sich isoliert über längere Zeit an der gleichen Stelle. Dies ist eine äusserst instabile Situation, denn die Anwesenheit kalter Luft in der Höhe destabilisiert die Atmosphäre und begünstigt Gewitter oder Starkregen.
Ist dieses Phänomen nur für Spanien typisch oder kann es auch anderswo auftreten?
Nein, es handelt sich um ein ziemlich gewöhnliches Phänomen, das schon mehrmals aufgetreten ist. Wenn wir uns erinnern, gab es in Italien in den letzten zwei Jahren vier Überschwemmungen in der Region Emilia-Romagna. Sie alle wurden in gewisser Weise von Tiefdruckgebieten über der Region verursacht, die ebenfalls solche konvektive Luftströmungen begünstigten und dann die Niederschläge auslösten. Sie hielten lange Zeit an und führten zu Überschwemmungen. Natürlich waren die Mengen über der Emilia-Romagna viel geringer als die in Valencia.
Bereits 1987 gab es in der Region Valencia eine katastrophale Überschwemmung. Solche Ereignisse scheinen sich zu häufen. Ist das nur ein Eindruck?
Nein, leider ist es die Realität. Es sind intensive, lokal sehr begrenzte, extreme Niederschläge. Einige Dutzend Kilometer von Valencia entfernt, waren die Niederschläge viel geringer. Solche Ereignisse sind zu einer Konstanten im Wettergeschehen geworden. Wir müssen damit leben. Es gibt ähnliche Ereignisse, die in der Vergangenheit weiter zurückliegen.
Der Klimawandel begünstigt mehr und intensivere Wetterereignisse als in der Vergangenheit.
Das letzte derartige Unwetter in Valencia brachte eine noch grössere Wassermenge, aber über einen längeren Zeitraum verteilt. Und eines der grössten Probleme ist eben die Tatsache, dass eine enorme Regenmenge in einer sehr kurzen Zeitspanne niedergeht. Kein Abwassersystem kann all dieses Wasser aufnehmen und ableiten.
Kann man sagen, dass die extreme Heftigkeit dieser Phänomene mit dem Klimawandel und der fortschreitenden Erwärmung des Mittelmeers zusammenhängt?
Zweifellos. Die Tatsache, dass wir eine wärmere Atmosphäre und ein wärmeres Meer haben – die beiden Dinge hängen offensichtlich zusammen –, führt dazu, dass sich die Luft erwärmt. Sie kann somit mehr Wasserdampfmoleküle aufnehmen. Wenn diese dann kondensieren, bilden sich Wolken, und das führt zu Niederschlägen. Wenn also die Luft wärmer ist, führt das gleiche Phänomen zu mehr Niederschlag. Die globale Erwärmung, der Klimawandel, begünstigt also mehr und auch intensivere Wetterereignisse als in der Vergangenheit.
Das Gespräch führte Pervin Kavakcioglu / RSI.