Die Unwetter im Wallis, im Tessin, in Graubünden haben in den vergangenen Tagen und Wochen Menschenleben gefordert und immense Schäden verursacht. Warum sich die Unwetter häufen und viel mehr Regen fällt, erklärt ETH-Professorin Sonia Seneviratne. Die Klimaforscherin hat auch an mehreren Berichten des Weltklimarats mitgewirkt.
SRF News: Sind die jüngsten Unwetter in der Südschweiz nur Wetterkapriolen oder eine Folge des Klimawandels?
Sonia Seneviratne: Es ist eine Kombination von beiden Aspekten. Wir wissen aber, dass bei gleichen Wetterlagen die Starkniederschläge mit dem wärmeren Klima viel heftiger ausfallen und häufiger auftreten. Der Grund: Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit enthalten. Jedes zusätzliche Grad sorgt für bis zu sieben Prozent mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre. Entsprechend höher ist die Sättigung und entsprechend heftiger fallen Starkniederschläge aus.
Die Starkniederschläge sind im Durchschnitt zehn Prozent intensiver geworden, und die Häufigkeit ist um 24 Prozent angestiegen.
Aber es gab doch schon immer längere Regenphasen mit Unwettern und Erdrutschen, gerade in den Berggebieten?
Das stimmt. Aber man kann aufgrund der Wetterdaten von Meteoschweiz ganz klar sagen, dass die Starkniederschläge intensiver geworden sind und häufiger auftreten. So zeigen Analysen, dass die Starkniederschläge im Durchschnitt zehn Prozent intensiver geworden sind, und die Häufigkeit ist um 24 Prozent angestiegen.
Es wird noch viel schlimmer werden in den nächsten zehn bis 20 Jahren, wenn die Emissionen nicht stark reduziert werden können.
Wie lässt sich ein Zusammenhang zwischen Unwettern und dem Klimawandel nachweisen?
Wir wissen, dass Starkniederschläge global zunehmen. Das bestätigt auch der jüngste Bericht des Weltklimarats. Aus den vielen Daten weltweit lässt sich eine Tendenz ableiten. Die Temperaturen nehmen weiterhin zu und es wird noch viel schlimmer werden in den nächsten zehn bis 20 Jahren, wenn die Emissionen nicht stark reduziert werden. Die globale Erwärmung beträgt derzeit 1.2 Grad. 2030 werden etwa 1.5 Grad erreicht. Um die globale Erwärmung auf diesem Niveau zu stabilisieren, müssten die CO₂-Emissionen durch fossile Energieträger bis Ende Jahrzehnt in etwa halbiert werden.
Die Berichte zeigen auch für die Schweiz, dass die Starkniederschläge zugenommen haben und so auch die damit verbundenen Risiken.
Ereignisse wie in der Südschweiz galten oft als «Jahrhundertereignisse». Braucht es einen neuen Begriff?
Mit den veränderten Klimabedingungen sind solche Ereignisse viel häufiger zu erwarten als nur einmal in hundert Jahren. Darauf müssen wir uns einstellen. Die entsprechenden Berichte zeigen auch für die Schweiz, dass die Starkniederschläge zugenommen haben und so auch die damit verbundenen Risiken. Diese Informationen sind verfügbar und man sollte sich unbedingt darauf vorbereiten und vermeiden, dass es noch viel schlimmer wird.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.
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