Es sind Rekordmengen an Gold, die 2023 aus Osteuropa direkt oder über das Vereinigte Königreich in die Schweiz importiert wurden. Die Ursprungsländer: Usbekistan und Kasachstan. Insgesamt gelangten im vergangenen Jahr 130 Tonnen usbekisches Gold im Wert von 7.3 Milliarden Franken sowie 59 Tonnen Gold kasachischen Ursprungs (3.3 Milliarden) in Form hochraffinierter Barren ins Land.
Ein rasantes Wachstum, das Ende 2021 begann und bis heute anhält, wie eine Statistik des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit zeigt, die SWI swissinfo.ch vorliegt.
Fachleute erklärten gegenüber SWI swissinfo.ch, dass solch grosse Mengen verdächtig seien. Aus verschiedenen zusammengetragenen Datenquellen geht hervor, dass die Gesamtmenge des exportierten kasachischen und usbekischen Goldes im Jahr 2023 sogar die Inlandsproduktion und die Goldverkäufe der beiden Länder durch ihre Zentralbanken deutlich überstieg.
Phantomgold
Woher kommt also der Überschuss? Nach Ansicht der Fachpersonen wäre die logischste Erklärung, dass zumindest ein Teil dieses Goldes ursprünglich aus Russland kommt, da das Land aufgrund der Sanktionen des Westens seine traditionellen Exportkanäle nicht mehr nutzen kann.
«Da Russland sein Gold nicht mehr frei exportieren kann, besteht ein hohes Risiko, dass diese beiden Länder dazu genutzt werden, Gold nach Grossbritannien und in die Schweiz zu schicken, damit es dann wieder auf den Weltmarkt gelangt», glaubt insbesondere Mark Pieth, Professor für Strafrecht und anerkannter Experte im Kampf gegen Korruption.
Unterschiedlich wahrgenommene Risiken
Der Finanzsektor ist noch vor den Raffinerien der Hauptimporteur dieses Goldes in der Schweiz. Untersuchungen von SWI swissinfo.ch deuten darauf hin, dass die UBS wahrscheinlich die Hauptabnehmerin unter den Banken ist, während von den in der Schweiz ansässigen Raffinerien ein Teil der Nachfrage auf Valcambi entfällt. Beide Unternehmen geben an, ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen zu sein.
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Mehr als zwei Drittel des usbekischen Goldes der Schweiz werden direkt aus Usbekistan importiert, der Rest kommt aus Grossbritannien, während fast das gesamte kasachische Gold aus Grossbritannien stammt, wie aus Daten vom Schweizer Zoll hervorgeht.
Die LBMA (London Bullion Market Association), eine Art Aufsichtsbehörde für den Goldhandel, erklärte, dass das Gold internationalen Qualitäts- und Herkunftsstandards entspreche. Für Neil Harby, technischer Direktor der LBMA, könnten die statistischen Unterschiede durch Lücken in den Datenbanken oder durch den massiven Import von Goldbarren, die vor 2022 hergestellt wurden, erklärt werden.
Einige der grössten Raffinerien und Banken der Schweiz sagen jedoch, sie würden sich weigern, Gold aus den beiden zentralasiatischen Ländern zu kaufen. Sobald Gold geschmolzen, wieder eingeschmolzen oder raffiniert werde, lasse sich seine Herkunft nicht mehr feststellen.
Marc Ummel, Leiter Rohstoffe bei Swissaid, einer NGO, die insbesondere den internationalen Goldhandel untersucht, fasst zusammen: «Gelangt russisches Gold in diese Ströme? (…) Wenn man sich die Reaktionen der Industrie anschaut, sehen einige das Risiko direkt, andere verschliessen die Augen.»