Seit 2023 bietet Swiss ihren «Green Tarif» an, bei dem Reisende für ihr Ticket etwas mehr bezahlen, um CO₂-Emissionen zu kompensieren. Die Fluggesellschaft erklärt online, dass dieser Ausgleich durch die Verwendung von 20 Prozent nachhaltigem Treibstoff und 80 Prozent Beiträgen zu Klimaprojekten funktioniere.
Die Illusion von nachhaltigem Treibstoff
Die Verwendung von nachhaltigem Treibstoff, SAF (Sustainable Aviation Fuel), macht heute 0.2 Prozent des Gesamtverbrauchs von Swiss aus, wie aus den Zahlen für 2023 hervorgeht. Dieser geringe Anteil erklärt sich demnach durch die Schwierigkeit, SAF herzustellen.
Laut Christian Bauer, Forscher am Paul Scherrer Institut, könnte es Jahrzehnte dauern, bis SAF in industriellen Mengen produziert wird.
Gegenüber RTS erklärt Swiss, letztes Jahr dank SAF «fast 5400 Tonnen CO₂» reduziert zu haben - wenig im Vergleich zum herkömmlichen Kerosin, das die Fluggesellschaft jährlich verbraucht und das gut 2.7 Millionen Tonnen CO₂ verursachen würde.
Fragwürdige Kompensationsprojekte
Eine weitere Möglichkeit, Emissionen zu kompensieren, sind Emissionsgutschriften, mit denen ein Klimaprojekt finanziert wird. Eines dieser Projekte von Swiss ist ein Wald im Prättigau bei Davos.
Dort kann das Unternehmen seit 2019 jährlich 33'000 Tonnen CO₂ kompensieren. Die Eigentümer des Waldes haben sich verpflichtet, teilweise auf die Waldnutzung zu verzichten, um die Holzreserven für 30 Jahre zu erhöhen.
Um die entgangenen Einnahmen zu kompensieren, erhalten sie Geld aus dem Verkauf der CO₂-Zertifikate. Doch ausgewertete Satelliten- und Luftbilder der Region und ein Blick vor Ort zeigten ganze Gebiete mit gefällten Bäumen. Diese Gebiete haben zwischen 2019 und 2024 mehr als 30 Prozent der Walddichte verloren.
Auf Nachfrage erklärt Swiss, dass es sich bei diesem Projekt nicht um «ein Waldschutzprojekt, sondern ein Waldbewirtschaftungsprojekt, bei dem die Holznutzung erlaubt ist», handele.
Die RTS-Recherche zeigt, dass in einem der Gebiete kein einziger Baum in den Schutzzonen, die die jungen Triebe aufnehmen sollen, neu gepflanzt wurde. Schliesslich wurde Geld, das die Waldbesitzer erhalten hatten, in die Renovierung einer Bergstrasse investiert.
«Es ist wichtig zu verstehen, dass dieser Wald weiterhin genutzt werden kann», sagt Kathrin Dellantonio, Direktorin der Stiftung MyClimate, die das Projekt im Auftrag der Swiss betreut. «Es kann so viel Holz geschlagen werden, wie jedes Jahr nachwächst».
Doppelte Zählung
Das von der Swiss unterstützte Klimaprojekt steht auch in der Kritik, weil die Speicherkapazität des Waldes zweimal angerechnet wurde. Ein Mal im Rahmen des nationalen Waldinventars des Bundes und ein anderes Mal für den Verkauf von CO₂-Zertifikaten an Swiss.
Es ist wie bei einem Bäcker: Wenn er ein Croissant produziert, kann er es nur an einen einzigen Kunden verkaufen.
Der Waldökologe Harald Bugmann von der ETH Zürich kritisiert diese Praxis: «Es ist wie beim Bäcker: Wenn er ein Croissant produziert, kann er es nur an einen einzigen Kunden verkaufen. Ich finde das sehr seltsam.»
Die Direktorin der Stiftung MyClimate sagt hingegen, man möchte das Risiko einer Doppelzählung vermeiden. So werde jede hier kompensierte Tonne CO₂ durch eine zusätzlich kompensierte Tonne im Ausland verdoppelt. Die Swiss erklärt, obwohl die durch diesen Wald kompensierten Tonnen CO₂ auf der Website der Fluggesellschaft hervorgehoben werden, diese nicht in den Jahreszahlen zu berücksichtigen.