Bei manchen politischen Vorlagen lohnt sich ein Blick in die Verfassung. Bei der «Ehe für alle», die am 26. September vors Volk kommt, ist das so. Denn die Verfassung hält ausdrücklich fest, dass jeder Mensch vor dem Gesetz gleich und das Recht auf Ehe gewährleistet ist. Trotzdem können sich heute zwei Frauen oder auch zwei Männer nicht heiraten.
Justizministerin Karin Keller-Sutter betonte deshalb: «Es gibt aus Sicht von Bundesrat und Parlament keinen Grund, gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebenspartnerschaften unterschiedlich zu behandeln. So wollen Parlament und Bundesrat, dass auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, wenn sie das wollen.»
Es gibt aus Sicht von Bundesrat und Parlament keinen Grund, gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebenspartnerschaften unterschiedlich zu behandeln.
Mit der «Ehe für alle» bekommen gleichgeschlechtliche Ehepaare auch neue Rechte, die sie heute nicht haben: Sie dürfen neu auch Kinder adoptieren, und für Frauen-Paare wird neu auch die Samenspende zugelassen.
Genau deshalb hat das Komitee «Nein zur Ehe für alle!» bestehend aus Nationalrätinnen und -räten der SVP und der Mitte sowie einigen EDU-Politikern das Referendum gegen die Vorlage ergriffen.
Das Kind hat ein Recht auf Mutter und Vater, weil sonst würde es ja gar nicht entstehen.
Zwei Frauen oder auch zwei Männer sollen heiraten können, betont SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler (BE), aber die Adoption und die Samenspende gingen zu weit: «Grundsätzlich muss man festhalten, dass niemand ein Recht auf ein Kind hat. Aber das Kind hat ein Recht auf Mutter und Vater, weil sonst würde es ja gar nicht entstehen.»
Die Gegnerinnen und Gegner argumentieren, dass jedes Kind eine Mutter und einen Vater haben soll; dieses Recht würde ihnen aber genommen, wenn homosexuelle Paare Kinder adoptieren könnten und wenn für Frauen-Paare die Samenspende eingeführt würde. «Das wird den Kindern immer fehlen, diese Vorbilderfunktion des anderen Geschlechts. Das ist eigentlich nicht fair, wenn man das den Kindern vorenthält. Es ist ganz wichtig für die Kinder, dass sie beide Vorbilder haben», so Geissbühler.
Keller-Sutter: Fürsorge ist relevanter
Justizministerin Karin Keller-Sutter hat für diese Argumentation wenig Verständnis. Bereits heute lebten zahlreiche Kinder in unterschiedlichsten Familienverhältnissen. Studien zeigten, dass für die Entwicklung der Kinder nicht die Familienkonstellation entscheidend sei, sondern die Fürsorge und Zuwendung in der Familie.
Nicht die Familienkonstellation ist entscheidend für die Entwicklung der Kinder, sondern die Fürsorge und Zuwendung in der Familie.
Entscheidend sei also, ob die Eltern liebevoll mit den Kindern umgehen, und das könnten zwei Mütter oder zwei Väter genauso gut wie eine Familie bestehend aus Vater und Mutter. Auch deshalb gibt es für den Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments keinen Grund, warum lesbische und schwule Paare gegenüber traditionellen Paaren weiterhin benachteiligt werden.
Einen letzten Punkt gilt es noch zu erwähnen: Während für lesbische Paare die Samenspende eingeführt werden und das Kind den Samenspender auch kennen soll, gäbe es auch mit der Ehe für schwule Paare keine analoge Möglichkeit, um mit einer künstlichen Befruchtung zu einem Kind zu kommen. Denn die analoge Leihmutterschaft bleibt verboten. Um das zu ändern, bräuchte es eine Verfassungsänderung.