- Der Nationalrat hat die Gesetzesänderung zur «Ehe für alle» angenommen. Damit sollen gleichgeschlechtliche Paare gleichgestellt werden.
- Hauptstreitpunkt war die Samenspende für lesbische Paare: Der Rat stimmte dieser zu mit 124 Stimmen gegen 72 bei einer Enthaltung.
- In der Gesamtabstimmung sagten 132 Nationalräte Ja zur «Ehe für alle», 53 Nein, 13 enthielten sich. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
Mit Ausnahme der SVP sprachen sich alle Fraktionen für die Vorlage aus. Die Rede war von einem «historischen Schritt», der für die Gleichstellung homosexueller Paare sorge. Widerstand kam neben der SVP auch von Teilen der CVP. Sie lehnen die Änderung des Eherechts grundsätzlich ab.
Das letzte Wort dürfte das Volk haben: Die EDU hat das Referendum angekündigt gegen die Vorlage, die auf eine Initiative der GLP zurückgeht.
Gleiche Rechte und Pflichten
Heute können gleichgeschlechtliche Paare in vielen europäischen Ländern heiraten. In der Schweiz dagegen steht die Ehe nur heterosexuellen Paaren offen. Gleichgeschlechtliche Paare haben die Möglichkeit, ihre Partnerschaft eintragen zu lassen. Dies ist aber nicht mit den gleichen Rechten und Pflichten verbunden. Unterschiede gibt es etwa bei der Einbürgerung und der gemeinschaftlichen Adoption von Kindern, die ihnen nicht erlaubt ist.
Umstrittene Samenspende
Zu reden gab in der grossen Kammer erneut der Zugang zur Samenspende für lesbische Ehepaare. Die vorberatende Rechtskommission hatte diese Möglichkeit in der Vernehmlassung zur Diskussion gestellt. Obwohl der Vorschlag mehrheitlich gut aufgenommen wurde, empfahl sie ein Nein.
Die Kommissionsmehrheit argumentierte, dass der Zugang zur Samenspende für miteinander verheiratete Frauen die gesamte Vorlage zum Absturz bringen könnte. Nun haben sich jedoch SP, Grüne, Grünliberale und jene Mitglieder der FDP durchgesetzt, die die Samenspende befürworten.
Justizministerin Karin Keller-Sutter stellte sich hinter die «Ehe für alle»: «Der Bundesrat begrüsst es, dass damit die heutige Ungleichbehandlung beseitigt wird.» Den Zugang zur Samenspende für lesbische Paare sieht sie jedoch kritisch: Es seien diesbezüglich noch zu viele rechtliche Fragen offen.
Kein Thema in der Gesetzesrevision ist die Leihmutterschaft. Um die Vorlage nicht zu gefährden, wurde auch die Hinterlassenenrente ausgeklammert.
Nationalrat unter Zeitdruck
Die Beratung über die «Ehe für alle» war vergangene Woche aus Zeitgründen vertagt worden. Die heutige Anschlussdebatte musste wegen der anstehenden Abstimmung über die dringliche Änderung des Epidemiengesetzes zwingend um 09.15 Uhr abgeschlossen sein.
Nationalratspräsidentin Isabelle Moret machte den Rednerinnen und Rednern ordentlich Druck und peitschte die einzelnen Abstimmungen durch – erfolgreich. Der Gesamtentscheid konnte rechtzeitig gefällt werden.