Seit bald zehn Jahren doktern Bundesrat und Parlament an einer elektronischen Identität herum. Nachdem die «Suisse ID» nie richtig abhob und den Bund viel Geld kostete, war die Idee geboren, es mit einer (teilweise) privaten Lösung zu versuchen.
Doch während der bürgerlich geprägte Bundesrat und das mehrheitlich bürgerliche Parlament fanden, es brauche bei einer Identifikation gegenüber Behörden nicht mehr, sondern weniger Staat, stieg in der Bevölkerung das Misstrauen gegenüber privaten Firmen, die aus privaten Daten Kapital schlagen. Längst nicht mehr nur im linken politischen Spektrum, gerade auch in SVP-Kreisen hat die Skepsis gegenüber dem Umgang vieler Firmen mit persönlichen Daten zugenommen.
Einstige Vorzeigeunternehmen aus dem Silicon Valley – Facebook, Google und viele andere – werden heute in breiten Teilen der Bevölkerung zunehmend als bedrohlich wahrgenommen. Es bereitet Angst, wie auch hierzulande immer mehr private Firmen Daten sammeln und plötzlich überall im Netz zielgerichtete Angebote und Inhalte auf einen hereinprasseln.
Beteuerungen überzeugten nicht
Da erstaunt es eigentlich nicht weiter, dass eine deutliche Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sehr skeptisch ist gegenüber privaten Unternehmen, die eine E-ID hätten herausgeben sollen. Und da nützte es auch nichts mehr, wenn die Befürworter beteuerten, es gäbe ganz strenge rechtliche Rahmenbedingungen für die Betreiber der E-ID, der Datenschutz-Standard sei höher als je zuvor. Und weitergeben dürften die Firmen die Daten schon gar nicht.
Für die Befürworter war es gewissermassen ein typischer Schweizer Kompromiss: Die privaten Unternehmen sorgen für die Innovation, die technische Umsetzung, und der Staat für die Rahmenbedingungen und die Kontrolle. Der Bundesrat hätte sogar eine spezielle Kommission eingesetzt. Diese hätte die Herausgeber der E-ID kontrolliert.
Mehrheit will keine Kompromisse
Doch die Stimmbevölkerung hat klargemacht: Beim Umgang mit persönlichen Daten im Netz will sie gar keine Kompromisse, auch keine «typisch schweizerischen». Erstaunlich eigentlich, dass Bundesrat und Parlament die hohe Sensibilität der Bevölkerung im Umgang mit Daten nicht erkannt haben.
Denn die Angst vor Datenmissbrauch ist längst kein Thema mehr, mit dem sich nur ein paar verschrobene «Computer-Nerds» beschäftigen. Viele schauen sich heute die Datenschutz-Einstellungen ihrer Geräte, Software und Apps etwas genauer an. In der Öffentlichkeit findet seit Jahren eine grosse Diskussion über die Daten-«Sammelwut» privater Firmen statt.
Nein ist ein Ja zu staatlicher Lösung
Nun beginnt die Diskussion nach zehnjährigem Herumdoktern an einem staatlich anerkannten Login wieder auf Feld 1. Denn heute sind sich Gegner und Befürworter der E-ID einig: Das wuchtige Nein ist kein Nein zu einer elektronischen Identität. Es ist ein klares Ja zu einer staatlichen Lösung. Die Digitalisierung muss und soll voranschreiten, es braucht einen viel einfacheren und sicheren digitalen Zugang zu den Behörden.
Zu hoffen ist, dass Bundesrat und Parlament die Arbeiten an einer staatlichen Lösung, die höchste Datenschutzrichtlinien erfüllt, schnell in Angriff nehmen. Denn je länger eine solche Lösung auf sich warten lässt, desto grösser das Risiko, dass das Feld von privaten Anbietern überrollt wird. Zu hoffen ist auch, dass der Bund das technologische Risiko meistert. In der Vergangenheit hat der Bund bei Informatikprojekten allzu oft hunderte Millionen Franken in den Sand gesetzt.