Trendwende beim E-ID-Gesetz: 54 Prozent lehnen die Vorlage laut SRG-Umfrage ab – nur noch 42 Prozent sind dafür.
Die Rollenverteilung von Staat und privaten Konzernen bei der E-ID wird zur Prinzipienfrage im Abstimmungskampf.
Dass das Gesetz zur elektronischen Identität am 7. März doch noch vom Stimmvolk abgesegnet wird, ist unwahrscheinlich.
«Kein digitaler Pass von Unternehmen.» In Schweizer Bahnhofshallen und Fussgängerzonen prangt derzeit eine Botschaft, die offenbar so einfach wie einleuchtend ist: Wie die zweite SRG-Umfrage zur Abstimmung vom 7. März zeigt, haben die Gegner der E-ID in den letzten Wochen erfolgreich die Saat des Zweifels gesät.
«Wir sehen nun einen klaren Nein-Trend», sagt Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat. In Zahlen: Hätten noch im Januar 52 Prozent für die E-ID gestimmt und 37 Prozent dagegen, sind die Mehrheitsverhältnisse nun gekippt. 54 Prozent wollen neu ein Nein in die Urne legen, nur noch 42 Prozent sind dafür.
Die Gegner der Vorlage wollen verhindern, dass erstmals ein amtlicher Ausweis kommerzialisiert und durch Private herausgegeben wird.
Aus einer blossen Digitalisierungsdebatte ist in Windeseile eine Debatte über die Rolle des Staates und der Konzerne geworden. Golder zeigt sich überrascht davon, wie stark die Ängste inzwischen um sich greifen, dass private Konzerne dereinst mit sensiblen Daten Profit machen wollen.
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Lukas Golder: «Überrascht vom Ausmass der Kritik an der E-ID»
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Der Vertrauensvorschuss ist weg
Zwar werden Vorlagen, die von Bundesrat und Parlament unterstützt werden, nur selten gebodigt. In Corona-Zeiten sind die Vorzeichen aber andere: Regierungsmisstrauisch eingestellte Menschen sind zu zwei Dritteln gegen das E-ID-Gesetz.
«Die rechte politische Seite und Menschen, die der Regierung misstrauen, sind kritischer geworden», fasst Golder zusammen. «Sie wollen die Rolle des Staates im Zusammenspiel mit Privaten in dieser Form nicht.»
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Lukas Golder: «Skepsis gegenüber der Rolle privater Konzerne»
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Die SVP-Basis lehnt die Vorlage entgegen der Parole der Mutterpartei mehrheitlich ab. Den politischen Zangenangriff komplettiert die links-grüne Wählerschaft, die sich noch deutlicher gegen die E-ID in der vorliegenden Form ausspricht.
All das zeigt: Die Debatte ist emotional aufgeladen, ein schwelendes Misstrauen gegenüber einer Elite aus Politik und Konzernen vermischt sich mit Ängsten, dass mit der E-ID ein «Datenstaubsauger» installiert wird.
Ein Mix aus Zweifeln am Datenschutz und dem generellen Nutzen einer E-ID würde das Projekt in Schieflage bringen, erklärt Golder. Letztlich gebe es aber in allen politischen Lagern Skepsis, ob Chancen und Risiken im richtigen Verhältnis stehen.
Ältere Generation skeptischer gegenüber E-ID
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Ältere Menschen tendieren neuerdings mit 56 Prozent am stärksten ins Nein – obwohl sie dem digitalen Pass in der ersten SRG-Umfrage noch freundlicher gesinnt waren als die jüngere Generation. Diese kam laut gfs.bern auf den Online-Kanälen frühzeitig mit den Datenschutzbedenken der Gegner in Berührung. Nun sind 50 Prozent der 18- bis 39-Jährigen gegen die Vorlage, 45 Prozent dafür.
Bei Personen im Rentenalter überwiegt inzwischen die Unsicherheit gegenüber der Vorlage, obwohl sie zunächst am ehesten für den versprochenen Digitalisierungsschub durch die E-ID zu begeistern waren. «Gerade ältere Menschen sehen auch nicht so sehr den Nutzen einer E-ID für ihren Alltag», so Golder.
Dagegen punkten die Befürworter gemäss Umfrage, wenn sie auf die schnelle und moderne Lösung hinweisen, wenn Staat und Private zusammenarbeiten. Zudem werde der Datenschutz staatlich kontrolliert. Stabile Mehrheiten findet die E-ID bei GLP, der Mitte-Partei und der FDP.
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Lukas Golder: «Zweifel am Datenschutz und am Nutzen der E-ID»
Aus News-Clip vom 23.02.2021.
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Die Chancen, dass es auf der Zielgeraden zu einem Meinungsumschwung kommt, sind aber begrenzt. «Normalerweise ist so ein deutlicher Trend kaum noch zu kehren», bilanziert der Politologe.
Ein Lichtblick für die Befürworter: 40 Prozent der Befragten haben noch keine feste Stimmabsicht. Gelingt es, deren Zweifel doch noch auszuräumen, hält Golder eine «Umkehr der Debatte» für möglich. Leichter gesagt, als getan.
Datenerhebung und Stichprobengrösse
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Die Umfrage ist im Auftrag der SRG SSR vom Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 11. und 24. Januar 2021 durchgeführt worden. Insgesamt wurden die Antworten von 9067 Stimmberechtigten für die Auswertung berücksichtigt.
Telefonisch befragt wurden 1206 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz: 705 Personen aus der Deutschschweiz, 301 aus der Romandie und 200 aus der italienischsprachigen Schweiz. Die Interviews wurden per Festnetz und Handy durchgeführt.
Diese Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler beträgt ± 2.8 Prozentpunkte. Bei 1206 Befragten und einem Ergebnis von 50 Prozent liegt der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.2 und 52.8 Prozent. Dabei sind kleinere Abweichungen wahrscheinlicher, grössere unwahrscheinlicher.
Online-Befragung
Zusätzlich wurden mehrere Tausend Personen online befragt. Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 7861 Stimmberechtigten für die Auswertung verwendet werden.
Die Aufteilung der online Befragten auf die Sprachregionen ist wie folgt: 7089 Personen in der Deutschschweiz, 121 in der Romandie und 651 in der italienischsprachigen Schweiz. Die Online-Befragung wurde über die Webportale der SRG-Medien realisiert als sogenanntes Opt-in (Mitmachbefragung).
Diese Online-Stichprobenzusammenstellung erfolgte nicht zufällig und die resultierende Stichprobe ist nicht repräsentativ. Es haben beispielsweise weniger ältere Personen als jüngere an der Online-Umfrage teilgenommen und mehr Männer als Frauen.
Deshalb hat das Institut gfs.bern die Antworten gewichtet: Den Verzerrungen in der Stichprobe wurde mittels statistischer Gewichtungsverfahren entgegengewirkt und so die Repräsentativität optimiert.
Wie wird gefragt?
Die befragten Stimmberechtigten hatten jeweils fünf Antwortmöglichkeiten zur Verfügung: «bestimmt dafür», «eher dafür», «weiss nicht/keine Antwort», «bestimmt dagegen» und «eher dagegen».
Für eine vereinfachte Darstellung im Artikel wurden in den meisten Fällen die Antworten «bestimmt dafür» und «eher dafür» zusammengezählt – entsprechend wurde auch mit den Antworten «bestimmt dagegen» und «eher dagegen» verfahren.
Konkret wurde etwa gefragt: «Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen werden: Wenn morgen schon über die Vorlage abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?»
Umfragen sind Momentaufnahmen
Das Forschungsinstitut gfs.bern führt zwei Umfragen zur Abstimmung vom 7. März 2021 durch. Die Autoren der Studie betonen, die Ergebnisse seien kein vorweg genommenes Abstimmungsergebnis, sondern eine Momentaufnahme zur Zeit der Befragung.
Detaillierte Informationen zur Befragungsart und den Interpretationen der Ergebnisse finden Sie auf der Website des Institutes gfs.bern.
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