Sie sind alle maskiert – aus Angst vor Repression, aber auch, weil sie als Kollektiv auftreten wollen: Rund ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten befinden sich an diesem verregneten Morgen im Camp. Die Stimmung ist trotz schlechten Wetters und schlammigem Boden gut, das Sprechen übernimmt Katrin* (Name geändert).
Für sie ist klar: «Wir dürfen nicht mitten in einer Klimakrise weitere Biodiversität zerstören, nur damit mehr Platz für Bauschutt geschaffen werden kann.» Das Waldstück habe aber eher symbolischen Charakter, «die grossen Kämpfe werden an einem anderen Ort geführt».
Das Lager wirkt durchdacht. Holzpaletten bilden Gehwege, eine Waldküche inklusive Waschstrasse ist rege in Gebrauch, ein Notfallzelt und Schlafgelegenheiten in den Baumkronen aufgestellt. «Wir wollten gewisse Höhenkonstruktionen aufbauen, damit eine Räumung für die Polizei so aufwändig wie möglich wird», erläutert Katrin.
Kampf um Aufmerksamkeit
Kann ein solcher Protest tatsächlich etwas bewirken oder ist das nur Leichtsinn? Laut Meinungsforscherin Anna John «sind grundsätzliche politische Haltungen sehr stark verwurzelt und schwer beeinflussbar.» Damit ein gesellschaftlicher Diskurs ausgelöst wird, müssten diverse Punkte erfüllt sein. Ein Protest muss eine gewisse Grösse erreichen, über einen längeren Zeitraum bestehen und in den Medien sehr präsent sein. Zudem müsse ein Protest ein neues Thema auf den Tisch bringen.
Beim aktuellen Beispiel sieht John in diesem Punkt zumindest theoretisch Potential: «Der Klimaschutz an sich ist natürlich kein neues Themenfeld. Der Zusammenhang zwischen Neubauten und dem Klima ist aber tatsächlich noch nicht gross in der öffentlichen Debatte angekommen.» Die Verbindung zwischen den zwei Themen sei jedoch abstrakt und emotional wenig aufgeladen.
Ausharren bis zum Schluss
Zurück im Rümlanger Wald. Eine Woche ist vergangen, die Gemeinde Rümlang hat die Protestierenden aufgefordert, bis am Samstag das Gebiet selbstständig zu räumen. Für die Menschen vor Ort kommt dies aber nicht in Frage, sie lassen das Ultimatum verstreichen.
Frühmorgens am 20. April ist es so weit. Die Polizei fährt mit einem Grossaufgebot auf und sperrt das Gebiet grossräumig ab. Fast alle anwesenden Personen werden kontrolliert und weggewiesen, zwei Aktivisten verharren aber in den provisorischen Baumhütten.
Ich will es den Polizisten so umständlich wie möglich machen.
Während der Einsatz läuft, erreichen wir via Telefon eine der Personen auf dem Baum. Was treibt die Aktivistin an, sich so klar den Anweisungen der Ordnungskräfte zu widersetzen? «Ich will es den Polizisten einfach so umständlich wie möglich machen, dieses Camp zu räumen und bis zum Schluss gegen diese Schutthalde kämpfen.»
Diese Haltung bringt den Aktivistinnen und Aktivisten auch immer wieder Kritik ein. Besteht die Gefahr, dass man mit solchen Aktionen auch Sympathisierende vergrault? Meinungsforscherin Anna John sagt, dass solche Aktionen Abneigungen sicher verstärken können – wer aber bereits Grün wähle, würde wegen einer solchen Aktion wohl nicht die Farben wechseln.
Am Ende ist der Wald bei Rümlang komplett geräumt – das Thema ist für Aktivistin Katrin jedoch damit nicht beendet, «das war nicht mein erster Kampf und wird sicher auch nicht mein letzter sein».