«Das ist das beste Fakeprodukt, das ich je hatte», meint eine Tiktokerin und zeigt dabei auf ihre gefälschte Designertasche. «Guckt mal, wie clean diese Nähte sind. Das ist eine 10 von 10», sagt eine andere, während sie ihre Fake-Sneakers in die Kamera hält.
Junge Menschen werden Fälschungen gegenüber immer offener. 37 Prozent der 15- bis 24-Jährigen geben an, absichtlich ein gefälschtes Produkt im Internet gekauft zu haben. Dies zeigt eine Umfrage des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (Euipo) aus dem Jahr 2022. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es noch 14 Prozent.
Wenn jemand ein Original trägt, dann fragt man sich, warum. Es sieht ja gleich aus.
Diese Erfahrung macht auch Damian, der im echten Leben anders heisst. Der 17-Jährige bestellt gefälschte Jacken, Taschen, Sneakers und Mützen aus dem Ausland und verkauft sie über seinen Instagramkanal weiter. Er sagt, die Generation Z schäme sich nicht mehr dafür, Fälschungen zu tragen. «Das hat sich komplett verändert. Wenn jemand ein Original trägt, dann fragt man sich, warum. Es sieht ja gleich aus.»
Denn die Qualität von Fälschungen steige. Ksenia Ticò arbeitet beim Luxus-Secondhand-Shop Reawake und führt regelmässig Echtheitchecks durch. Um die Authentizität zu bestätigen, braucht sie all ihre Sinne. Sie betrachtet eine Tasche mit der Lupe, berührt das Leder und riecht daran. Aber nicht immer sei der Fall klar: «Die Qualität der nicht authentischen Stücke ist inzwischen sensationell.»
Die meisten Fälschungen werden in der Regel ausserhalb der EU hergestellt, über die Hälfte der importierten Produkte stammen aus China. «Diese Thematik wird immer grösser», sagt Tanja Brunner, Chefin des Zolls Zürich. Im Jahr 2022 sind am Schweizer Zoll rund 8000 Produkte zurückgehalten worden.
Der Handel mit Fälschungen ist in der Schweiz strafbar. Damians Angst, erwischt zu werden, hält sich jedoch in Grenzen. «Ich habe mehr Angst davor, dass der Kunde nicht bezahlt, wenn ich ihm die Ware übergebe», sagt der Reseller. Monatlich verdiene er im Schnitt zwischen 1000 und 2000 Franken.
Den weltweiten Schaden durch Markenfälschungen für das Jahr 2019 wird von der OECD und der EUIPO auf rund 412 Milliarden Euro geschätzt. Das entspricht etwa 2.5 Prozent des Welthandels. Negative Folgen könne der Handel mit Fälschungen auch für Konsumenten haben.
Beim Kauf einer Fälschung gehe man auch ein gesundheitliches Risiko ein, erklärt Marc Wullschleger. Er ist Präsident des Vereins Stop Piracy, der sich gegen Fälschungen einsetzt. Es sei möglich, dass für die Produktion einer Tasche Materialien verwendet wurden, die im schlimmsten Fall gesundheitsschädlich seien.
Die Fälschungsindustrie ist ein lukratives Business, wenn man als Krimineller Geld für seine Mittel generieren möchte.
Weiter müsse man sich bewusst sein, dass mit dem Kauf einer Markenfälschung unter Umständen kriminelle Aktivitäten unterstützt würden. «Die Fälschungsindustrie ist ein lukratives Business, wenn man als Krimineller Geld für seine Mittel generieren möchte», so Wullschleger weiter.
Über die Schattenseiten des Fake-Business wisse Damian zu wenig, daher habe er auch kein schlechtes Gewissen. Trotzdem möchte er nicht bis in alle Ewigkeit gefälschte Mode vertreiben: «Damit baue ich mir mein Kapital auf und dann mache ich etwas Legales.»