Am Morgen aufwachen und als Erstes einen dickflüssigen, schwarzen Schleim husten. So geht es Livio Carlin. Seine Kondition ist auf einem neuen Tiefpunkt angekommen und finanziell belastet ihn das Rauchen seit Jahren auch. Um die 30'000 Franken hat er in seinem Leben bereits für Zigaretten ausgegeben.
Damit soll jetzt Schluss sein. Livio Carlin hat sich nämlich geschworen, dass er spätestens mit 30 die Zigaretten ein für alle Mal aus seinem Leben streichen wird. Da sein runder Geburtstag vor der Tür steht und er den Druck auf sich erhöhen will, dokumentiert er seine Reise zum Nichtraucher mit der Kamera. So viel sei gesagt: Es ist kein einfacher Weg.
Zigaretten als Teil der Identität
Obwohl seine Eltern nie geraucht hatten, wusste Livio Carlin schon als Kind, dass er einmal ein Raucher sein würde. Pünktlich zu seinem 16. Geburtstag ging er dann auch schnurstracks zum Kiosk und kaufte sich Zigaretten. Damals gab es ihm ein Gefühl des «Erwachsenseins» und von «extremer Coolness».
Der SRF-Moderator rauchte am Morgen vor der Schule, in den Pausen, vor dem Schlafen und auch als Belohnung – wenn er etwas geleistet hatte. Das Rauchen wurde zu seiner Identität und so selbstverständlich für ihn wie Essen oder Schlafen.
Im Alltag habe sich Livio auf die Zigarette gefreut und das Rauchen sei etwas Befriedigendes für ihn gewesen: «Einen Glimmstängel zwischen die Lippen zu klemmen, Rauch zu inhalieren und diesen dann genüsslich in der Luft zu verteilen, hat mich auch immer entspannt. Aber diesen Entspannungsmoment brauche ich nun fast 20-mal am Tag, und die Sucht bestimmt mittlerweile mein Leben.»
Besonders in der ersten Woche seines Selbstexperiments ist der Moderator wütend und unruhig. «Ich spüre eine immense Wut tief in mir drin. Und alles, was ich will, ist eine Zigarette. Das hilft mir, wenn ich angespannt und aufgebracht bin.»
Ein Besuch in der Rauchstoppberatung
Livio erhofft sich, durch das Experiment «einen Monat rauchfrei» endgültig den Absprung zu schaffen. Es plagen ihn aber auch Unsicherheiten: «Mich belastet sehr, dass die Chance auf einen Rückfall hoch ist. In meiner Ziggi-Karriere habe ich schon sechsmal einen Rauchstopp versucht, aber jedes Mal habe ich wieder angefangen. Meistens in Kombination mit Alkohol am Wochenende oder wenn ich mich psychisch schlecht gefühlt habe.»
In der Tat ist ein Rauchstopp kein einfaches Unterfangen und benötigt viel Durchhaltevermögen. Laut der Rauchstoppberaterin Denise Casanova vom Universitätsspital Basel würden es bei einem spontanen Aufhörversuch – das heisst ohne Vorbereitung und ohne Hilfsmittel – gerade einmal fünf Prozent der Menschen schaffen, nach zwölf Monaten noch rauchfrei zu sein.
Nikotin macht so schnell abhängig wie Kokain oder Heroin.
Gemäss Denise Casanova habe man mit einem Coaching in der Rauchstoppberatung in Kombination mit Hilfsmitteln – das sind je nach Abhängigkeit beispielsweise Nikotinersatzprodukte oder Rauchstopp-Medikamente – die besten Chancen, um mit dem Rauchen aufzuhören.
In Zahlen ausgedrückt: Nach einem Jahr seien mit dieser Methode ungefähr noch 30 Prozent der Personen rauchfrei. Dies liege auch daran, weil Nikotin ein sehr hohes Suchtpotenzial habe: «Nikotin macht so schnell abhängig wie Kokain oder Heroin – hat aber eine andere Auswirkung auf das Bewusstsein.»
So schwierig es auch ist, mit dem Rauchen aufzuhören, ein Rauchstopp bringt viele Vorteile mit sich. Das Universitätsspital Basel und der Verband «Lunge Zürich» verweisen unter anderem auf folgende Punkte:
- Nach einem Tag sinkt das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen.
- Nach zwei bis zwölf Wochen verbessern sich der Kreislauf und die Lungenfunktion.
- Nach einem bis neun Monaten nehmen Husten und Kurzatmigkeit ab.
- Nach einem Jahr sinkt das Risiko von Herzerkrankungen um 50 Prozent.
- Nach zehn Jahren hat sich das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, halbiert.
Woche zwei: Die psychischen Entzugserscheinungen nehmen ab
Während Livio Carlin in der ersten Woche das Verlangen nach einem Glimmstängel noch mit Essen kompensiert – «ich habe statt zu rauchen jeweils eine Packung Chips vertilgt» –, nimmt bei ihm das Verlangen nach einer Zigarette in der zweiten Woche ab.
Dies war jedoch harte Arbeit: «Ich habe versucht, mich abzulenken und meine Routinen zu durchbrechen. In dieser Zeit habe ich zum Beispiel mehr Sport getrieben. Statt in den Pausen eine Zigarette zu rauchen, habe ich an einem Strohhalm gezogen oder einfach auf mein Handy gestarrt.»
Seine Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Bei ihm nehmen die psychischen Entzugserscheinungen nach der ersten Woche ab. Seine Wut und Nervosität verschwinden. Er spürt zwar nach wie vor das Verlangen nach einer Zigarette, dieses ist jedoch nicht mehr so stark wie am Anfang. Mögliche körperliche Entzugserscheinungen wie Schwindel, Verdauungsprobleme oder Schwitzen bemerkt der SRF-Moderator bei seinem Entzug keine.
Fast zwei Millionen Raucherinnen und Raucher
Livio Carlin ist nicht allein mit seiner Nikotinsucht. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) rauchen in der Schweiz fast zwei Millionen Menschen. Ausserdem gehöre der Tabakkonsum zu den grössten Problemen der öffentlichen Gesundheit in der Schweiz. Laut dem BAG sterben in der Schweiz jedes Jahr 9500 Menschen vorzeitig an den Folgen des Rauchens. Das sind 26 Menschen pro Tag.
Des Weiteren wird gemäss der Bundesbehörde die Gefahr von Tabakprodukten für die eigene Gesundheit und diejenige anderer (Stichwort: Passivrauchen) von einem Teil der Bevölkerung und von Entscheidungstragenden bis heute noch unterschätzt. Laut dem BAG belastet der Tabakkonsum die schweizerische Volkswirtschaft mit Kosten von rund 3.9 Milliarden Franken pro Jahr.
Woche drei: die Angst vor einem Rückfall
Mit dem Rauchen aufzuhören, fällt dem SRF-Moderator gar nicht so schwer. Und dies sei nicht nur gut: «Ich war in der Vergangenheit bereits an diesem Punkt und habe dann einfach wieder mit dem Rauchen angefangen. Wahrscheinlich gerade, weil es mir so leicht gefallen ist.»
Viele Personen aus seiner Bubble haben dem SRF-Moderator eine Hypnose nahegelegt. Auch wenn diese Methode nicht explizit von der Rauchstoppberatung empfohlen wird, möchte Livio Carlin diese trotzdem ausprobieren: «Schaden kann es ja nicht.»
Nach der rund dreistündigen Therapiesitzung konstatiert Livio Carlin: «Ich habe die Hypnose als sehr intensiv empfunden. Es wurde viel gesprochen und ich musste viel zuhören. So ‹nichtraucherig› habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.» Ob die Hypnose nun so tief gegangen sei, dass er nie mehr das Verlangen nach einer Zigarette haben würde, weiss er nicht: «Dafür bin ich wohl zu kritisch.»
Der Anteil der Raucherinnen und Raucher ist gesunken
In den vergangenen Jahren hat der Anteil der Rauchenden in der Schweiz abgenommen. Der Anteil blieb lange stabil und ist laut den neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik auf 24 Prozent gesunken.
Erwähnenswert ist hierbei, dass der Konsum von E-Zigaretten und anderen nikotinhaltigen Produkten wie Snus in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Diese Produkte sind besonders bei jüngeren Personen beliebt. Dies zeigen Erhebungen des Bundesamts für Gesundheit.
Ein kleiner Rückfall und Zuversicht
Nach 30 Tagen ist Livio Carlin immer noch rauchfrei. Trotz diversen Versuchungen im Ausgang und einer emotionalen Achterbahnfahrt hat er es (fast) geschafft. Denn: «Zwischendurch habe ich mir einmal einen Shisha-Zug gegönnt.»
Abgesehen von diesem einen Shisha-Zug sei er aber sehr stolz auf sich: «Zeitweise war es wirklich schwierig und ich wollte der Sucht nachgeben. Nun schaue ich aber mit Zuversicht in die Zukunft als Nichtraucher.»