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Gefährlicher Tiktok-Trend Paracetamol-Challenge: Hintergrund und Tipps zum Umgang

Warum Jugendliche besonders anfällig für solche Trends sind und weitere Antworten auf Fragen zur Paracetamol-Challenge.

Darum geht es: Mehrere Westschweizer Kantone warnen vor der sogenannten «Paracetamol-Challenge», die derzeit in sozialen Netzwerken wie Tiktok grassiert. Dabei fordern sich Jugendliche gegenseitig heraus, hohe Dosen des Schmerzmittels Paracetamol einzunehmen – oft mit fatalen Folgen. Solche Medikamenten-Challenges scheinen ein wiederkehrender Trend zu sein. Bereits im Sommer 2023 hatten mehrere europäische Länder entsprechende Warnungen herausgegeben.

Anfälligkeit von Jugendlichen: Jugendliche sind besonders empfänglich für solche Gruppenphänomene, da sie sich noch in der Identitätsfindungsphase befinden. «Sie wollen beeindrucken und zeigen, dass sie mutig sind», sagt Lulzana Musliu, Mediensprecherin der Stiftung Pro Juventute. Likes und Kommentare verstärken laut Musliu zusätzlich das Belohnungssystem, das in der Pubertät besonders aktiv ist. Die Jugendlichen erhalten so einen Dopaminkick. Zudem sei die Fähigkeit, Risiken einzuschätzen, in diesem Alter noch nicht voll entwickelt. «Jugendliche wollen ihre Grenzen austesten», sagt Musliu.

Das Medikament und die Gefahr: Paracetamol ist eines der weltweit am häufigsten verwendeten Schmerzmittel. Der Wirkstoff ist in zahlreichen Arzneimitteln enthalten, beispielsweise in Paracetamol-Mepha, Panadol oder Neocitran. Die Toxizität des Wirkstoffs kann bei unsachgemässer Anwendung zu schwerem Leberversagen führen und bei Überdosierung sogar tödlich sein. Die ersten Anzeichen einer Vergiftung können erst 24 bis 48 Stunden nach der Einnahme auftreten. Zu den Anzeichen einer Vergiftung gehören Bauchschmerzen, Übelkeit, Koordinationsprobleme und gelbe Haut.

Tipps für Eltern: Viele Eltern machen sich Sorgen, wenn sie von solchen Challenges hören. Am besten sei es, mit den Kindern im Gespräch zu bleiben und so eine Vertrauensbasis zu schaffen, meint Musliu von Pro Juventute. Dann kommen die Kinder auch auf ihre Eltern zu, wenn sie beispielsweise etwas Verstörendes gesehen haben. «Eltern sollten diese gewisse Neugier der Kinder und Jugendlichen nicht direkt nur negativ sehen, sondern sagen, man kann verstehen, dass das spannend ist.» Gleichzeitig soll auch deutlich gemacht werden, wie gefährlich eine hohe Dosis an Schmerzmitteln sein kann.

Informationen von Pro Juventute

Prävention: Kindern und Jugendlichen wird in der Schule Medienkompetenz vermittelt, damit sie lernen, solche Challenges kritisch zu hinterfragen. Lulzana Musliu von Pro Juventute sagt über die Workshops der Stiftung an Schulen: «Wir stellen fest, dass die Jugendlichen oft ein gutes Sensorium für die Challenges haben und auch sehen, wie extrem sie sind.» Weiter haben die Gesundheitsbehörden der Kantone Freiburg, Jura und Waadt die Apotheken zu erhöhter Wachsamkeit beim Verkauf dieser Medikamente an Jugendliche aufgerufen.

Unternehmen in Pflicht nehmen? «Wichtig ist aber neben der Prävention und Sensibilisierung auch, dass die Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen», meint Musliu. Aktuell gibt es auf Tiktok beispielsweise auch Video dazu, wie gefährlich die Challenge ist. Der Algorithmus soll laut Pro Juventute mehr dafür sorgen, dass solche Videos stärker verbreitet werden. Unternehmen wie Tiktok vertreten aber häufig die Haltung, dass die Verantwortung in den Händen den Nutzerinnen und Nutzer liegt. «Es ist wichtig, dass die Politik aktiv wird und die Unternehmen in die Pflicht nimmt», findet hingegen Lulzana Musliu.

Mangelnde Kontrolle und Moderation

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Eine Studie der Nichtregierungsorganisation «Reset» zeigt auf: Grosse Plattformen moderieren nachlässig. Für die Studie wurden Bilder und Videos, die Essstörungen, Selbstverletzung oder Suizid verherrlichen oder verharmlosen, mit Hilfe einer Psychologin identifiziert und der jeweiligen Plattform gemeldet.

Über einen Zeitraum von vier Wochen beobachtete die Organisation, ob die Beiträge gelöscht, mit einem Warnhinweis versehen – oder stehen gelassen wurden. Bei Tiktok liegt die Löschquote bei gut einem Prozent.

SRF 4 News, 30.1.2025, 17 Uhr ; 

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