Die Debatte um Genderthemen ist emotional, wie der Abstimmungskampf um die Abschaffung des Gendersterns in der Stadt Zürich zeigt. Für die einen geht es um die Rettung der deutschen Sprache, für die anderen um Respekt und Sichtbarkeit aller Geschlechter. Die Abstimmung um die geschlechtergerechte Sprache ist Sinnbild für die Genderthemen. Politgeograf Michael Hermann hat diese politische Entwicklung untersucht. «Einige junge Männer sind die feministische Bewegung mitgegangen, sehen sich selbst als Feministen. Andere fühlen sich aber umso mehr in ihrer Männlichkeit in Frage gestellt», erklärt Hermann. Die jungen Frauen identifizieren sich hingegen stark mit den Geschlechterthemen, was zu einer Linksbewegung geführt habe.
Tatsächlich belegen verschiedene Studien weltweit, dass die jungen Frauen linker werden und die jungen Männer rechter. Auch in der Schweiz lasse sich diese Entwicklung nachvollziehen, so Hermann. So bezeichnen sich 52 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren als links der Mitte. Gleichzeitig positionieren sich 43 Prozent der gleichaltrigen Männer rechts der Mitte, wie eine Auswertung der Abstimmungsbefragungen seit 1990 durch das Forschungsinstitut Sotomo zeigt.
Auswirkungen auf das Dating
Dieser politische Graben hat Auswirkungen auf den Datingmarkt. Denn die Schweizerinnen und Schweizer daten am liebsten nahe der eigenen politischen Orientierung. Zwei, die diesen Graben überwinden, sind Anouk Feurer und Benjamin von Falkenstein. Sie: Grossrätin der Grünen in Basel-Stadt. Er: Präsident der Jungliberalen. Zusammen sind sie seit rund einem Jahr: ein Liebespaar.
«Viele junge Frauen und Männer bewegen sich in den sozialen Medien, wo die Extreme stark ausgespielt werden», erklärt Anouk Feurer die zunehmende politische Polarisierung der Geschlechter. Die 24-Jährige sieht auch einen Zusammenhang mit der «#MeToo»-Bewegung und einem zunehmenden Bewusstsein für Gleichberechtigungs-Anliegen. Ähnlich sieht dies Benjamin von Falkenstein: «Es gibt Studien, die zeigen, dass die von Frauen wahrgenommene Gleichberechtigung gesunken ist, während die effektive angestiegen ist.»
Werden Männer in die Täterrolle gerückt?
Für den 24-Jährigen sind die Männer und Frauen seiner Generation gleichberechtigt. «Dennoch wird jungen Männern häufig gesagt, dass sie privilegierter seien als Frauen.» Zudem werde ihnen suggeriert, dass sie eine Mitschuld tragen, dass Frauen weniger Rechte haben. Wenn nun Männer in eine Täterrolle gedrückt werden, könne dies eine Gegenreaktion auslösen, was wiederum mit einer Orientierung an der politischen Rechten einhergehen könne.
Für das junge Paar selbst ist die unterschiedliche politische Orientierung kein Problem. «Wäre ja langweilig, wenn wir immer einer Meinung wären», ist von Falkenstein überzeugt. «Ich sehe es sogar als grossen Vorteil», sagt Feurer. So unterscheiden sich zwar die Perspektiven auf die Sachthemen, doch «unsere Ziele sind die gleichen». Nur der Weg dahin unterscheide sich eben.
Feurer zeigt sich überzeugt: «Wenn mehr Leute ihre ‹Bubble› öffnen und Menschen aus anderen Kreisen kennenlernen würden, gäbe es auch nicht so ein Ziehen in die politischen Extreme in der Gesellschaft.»