Vor dem KKL dreht ein Riesenrad seine Runden, weiter hinten stürzen Teenager am Freefall-Tower kreischend in die Tiefe. Es bimmelt bei den Schiessbuden und dröhnt bei den Autoscootern, der süssliche Duft von gebrannten Mandeln liegt in der Luft.
Es ist «Määs» in Luzern. Herbstmesse, die grösste der Zentralschweiz. Über hundert Marktstände und Imbissbuden, dazu ein Luna-Park.
Und inmitten des quirligen Treibens ein Mann im roten Poloshirt in seinem Confiseriewagen, seelenruhig hinter einer Pfanne voller Mandeln: Seppi Moser, 65-jährig, ein Urgestein.
Auch ein Urgestein hat einmal genug
Seine 47. «Määs» ist das nun, doch es wird auch seine letzte sein: Seppi Moser geht in Pension. «Ich bin froh», sagt er. «Wirklich froh.»
Nicht, dass der gebürtige Luzerner seinen Job nicht mögen würde. «Ich habe die Arbeit als Schausteller immer gerne gemacht», sagt er. «Aber sie fährt halt schon sehr in die Knochen.»
Zehn Stunden lang sei er gestern an der Pfanne mit den gebrannten Mandeln gestanden, Beine und Rücken habe er danach kaum mehr gespürt. Zeit darum, langsam aufzuhören mit der Chilbi.
1974 gings los mit der Popcorn-Maschine
Dabei hat sich auf der Chilbi ein grosser Teil seines Lebens abgespielt. 1974 war Moser erstmals mit einer Popcorn-Maschine an der «Mäas», im Jahr darauf mit Zuckerwatte.
Seine Eltern waren in den 1950er-Jahren ins Schaustellergeschäft eingestiegen, er ging ihnen zur Hand. 1978 zog er sein eigenes Business auf: einen «Hau den Lukas»-Stand.
Seppi Moser baute bald aus. Süsswaren, Schiessbuden, Karusselle, Autoscooter: Der junge Schausteller kaufte Anlagen, baute selber welche, besorgte als handwerklich geschickter Allrounder den Unterhalt selber, schweisste, schraubte, tüftelte. Und tingelte durchs Land. Von Dorf zu Dorf, von Chilbi zu Chilbi.
«Man musste wissen, wer auf den Chilbis das Sagen hatte: der Dorfpolizist, der Metzger, der Bäcker, die Beizer – und der Pfarrer», sagt Moser. «Mir war wichtig, diese Leute in jedem Dorf mit Namen zu kennen. Das half, damit meine Leute und ich gut empfangen wurden.»
Sicherheitsdienste gab es damals nicht. Man musste sich selber wehren, wenn einer eine Schlägerei anzettelte.
Es schützte allerdings nicht vor Anfeindungen lokaler Störenfriede – vor allem, wenn an Chilbis viel Alkohol floss. In manchen Dörfern hätten Schausteller wie er als «fremde Fötzel» gegolten, sagt Moser.
«Sicherheitsdienste wie heute gab es damals nicht. Da musste man sich selber wehren, wenn einer eine Schlägerei anzettelte.» Ein paar gebrochene Rippen habe er sich da schon zugezogen – obwohl er extra Karate trainiert habe.
Konkurrenzdruck an Chilbis ist gewachsen
In dieser Hinsicht sei das Klima in den vergangenen 20 Jahren ruhiger geworden, sagt der 65-Jährige. Zugenommen habe aber der Konkurrenzdruck. Das Geschäft sei härter geworden, seit vermehrt Schausteller aus den Nachbarländern mitmischten.
Es gibt unter den Schaustellern nicht mehr diese Verbundenheit wie früher.
In vielen kleineren Dörfern seien die Chilbis zudem verschwunden, das Chilbi-Treiben habe sich in grössere Ortschaften verlagert. «Es gibt unter den Schaustellern nicht mehr diese Verbundenheit wie früher. Der Stress ist einfach zu gross.»
Seppi Moser hat darum vor einigen Jahren damit begonnen, sein Geschäft zu verkleinern. Hat die Karusselle abgestossen, die Bahnen verkauft. Geblieben ist ihm der Confiseriewagen.
Wehmütig wird Seppi Moser nicht, wenn er daran denkt, dass er auch ihn bald für immer schliessen wird. «Es war ein gutes Leben an der Chilbi», sagt er. «Aber es gibt auch eines danach. Es wird einfach etwas ruhiger.»